9 Jul 2023

Zum Schauspiel 2023

Zum Schauspiel

Mit Michael Maertens betritt ein neuer fulminanter Jedermann-Darsteller den Domplatz, der dritte und letzte in meinen sieben Jahren als Leiterin des Schauspiels der Salzburger Festspiele.

Gleichzeitig feiert Michael Maertens im kommenden Festspielsommer sein 30-jähriges Bühnenjubiläum in Salzburg, da er bereits als junger Schauspieler 1993 in der Uraufführung von Botho Strauß’ Das Gleichgewicht an der Seite von Jutta Lampe, Kirsten Dene und Martin Benrath erstmals in Salzburg aufgetreten ist und in den folgenden Jahren immer wieder in allen Sparten zu Gast war. Seine sehr spezifische große Kunst der tragischen Komik wird in der neuen Inszenierung von Michael Sturminger unbekannte Facetten des Gründungsstücks der Salzburger Festspiele aufzeigen. An seiner Seite findet sich eine zu großen Teilen neue Besetzung ein, darunter Valerie Pachner, die zum ersten Mal in der Geschichte des Jedermann in der Doppelrolle von Buhlschaft und Tod zu sehen sein wird, sowie die legendäre Nicole Heesters, die bereits als Buhlschaft neben Curd Jürgens zu bewundern war und nun als Mutter auf den Domplatz zurückkehrt; die charismatische Anja Plaschg wird den Glauben, die wunderbare Sarah Viktoria Frick den Teufel und Gott sowie Helmfried von Lüttichau Jedermanns guten Gesellen spielen.

Die Kernthemen der Aufklärung – Toleranz, Menschen-, Frauen- und Bürgerrechte, Bildung sowie der Kampf gegen Vorurteile im Allgemeinen – stehen nicht nur im zentralen dramatischen Werk, in Lessings Nathan der Weise, im Fokus, sie sind in diesem Festspielsommer in allen Stücken im Schauspiel und über die Sparten hinweg präsent.

Die Schauspiel-Recherchen beschäftigen sich intensiv damit: von Barbara Stollberg-Rilingers Vortrag „Ein Jahrhundert der Toleranz?“ über ein Gespräch zwischen der Autorin Nicole Seifert und der Regisseurin von Der kaukasische Kreidekreis, Helgard Haug, zum Thema „Frauen Literatur – Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt“ bis hin zu Masha Gessens scharfer Analyse in „Autokratie überwinden – Die Zukunft ist Geschichte“.

Die einzigartige Angela Winkler singt Brecht. Drei der Lesungen befassen sich mit Briefwechseln zwischen Paaren, die das
Theaterleben (Max Reinhardt und Helene Thimig), die Literatur (Ingeborg Bachmann und Max Frisch) und die Philosophie des 20. Jahrhunderts (Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre) maßgeblich beeinflusst haben. Drei Generationen großartiger Schauspieler·innen werden diesen Paaren ihre Stimme leihen: Edith Clever und Tobias Moretti, Lina Beckmann und Charly Hübner sowie Paula Beer und Albrecht Schuch.
In einer Marathonlesung von Simone de Beauvoirs bahnbrechender Schrift der zweiten Welle des Feminismus, Das andere Geschlecht, erleben Sie 14 beeindruckende Frauen, von Senta Berger über Elisabeth Trissenaar bis zu Birgit Minichmayr, Caroline Peters, Verena Altenberger, Valerie Pachner und vielen anderen, die die Salzburger Festspiele wie auch meine Leitung künstlerisch geprägt haben.

Und die unvergleichliche Carolin Emcke und sechs Autor·innen beschäftigen sich schließlich mit dem Thema Abschied: Schöner kann man nicht „Adieu“ sagen.

Bettina Hering • Leitung Schauspiel

zuerst erschienen in der Festspielbeilage der Salzburger Nachrichten 2023

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