Zum Konzert 2023
Zum Konzert
„Ich bin wie ein Blinder im Labyrinth, der sich herumtastet und immer neue Eingänge findet und in Zimmer kommt, von denen er gar nicht wußte, daß sie existieren“, notierte György Ligeti über den Vorgang seines Komponierens.
Im Festspielsommer 2023 steht die Konzertreihe „Zeit mit …“ ganz im Zeichen des Schaffens des österreichisch-ungarischen Komponisten, dessen Geburtstag sich 2023 zum 100. Mal jährt. Ligeti gilt als einer der maßgeblichen Komponisten des 20. Jahrhunderts, der sich keinen Schulen oder Ismen zuordnen ließ, diese vielmehr vehement ablehnte. „Ich habe keine message, die ich verkünde. Man kann mich nicht festnageln auf eine einheitliche, verbal ausdrückbare kompositorische Theorie.“
„Lux aeterna“ betitelte Ligeti 1966 ein Chorstück, das durch die Verwendung in Stanley Kubricks Film 2001: Odyssee im Weltraum zu weltweiter Berühmtheit gelangte. – „Lux aeterna luceat eis – das ewige Licht leuchte ihnen“, lauten jene Worte in der liturgischen Totenmesse der römischen Kirche, die die Bitte nach ewigem Licht formulieren, das den Verstorbenen leuchten möge. Und mit „Lux aeterna“ ist auch die diesjährige Ouverture spirituelle überschrieben, in der die musikalischen Vorstellungen des ewigen Lichts hörbar werden. In mannigfaltigen Hell-Dunkel-Schattierungen, in leisesten Zwischentönen und gleißendem Klang offenbaren sich uns darin Meisterwerke aus allen Zeiten und Epochen, die aus der Not und der Verzweiflung in überirdischen Glanz geleiten oder die Schöpfung preisen, die Trost spenden an der Schwelle zwischen Leben und Tod.
Analog zum Opernprogramm loten wir also auch in den Konzerten der Festspielsaison 2023 die Polarität von Hell und Dunkel, von Licht und Schatten, von Trauer und Hoffnung aus. Als Scharnier zwischen Ouverture spirituelle und der Reihe „Zeit mit Ligeti“ und nicht zuletzt als Zentrum des Konzertprogramms sind die Konzerte der Wiener Philharmoniker programmiert. Der Abschluss der Ouverture spirituelle mit Brahms’ Deutschem Requiem markiert demnach zugleich den Beginn der Reihe der Wiener Philharmoniker mit Christian Thielemann am Pult des Salzburger Festspielorchesters. Andris Nelsons dirigiert Bergs Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“ und Mahlers Vierte. Riccardo Muti stellt Verdis Stabat Mater und Te Deum aus den Quattro pezzi sacri der Siebten Symphonie von Anton Bruckner voran. Unter Franz Welser-Möst spannen die Wiener den Bogen zu György Ligeti und Richard Strauss. Jakub Hrůša leitet nach seinem erfolgreichen Festspieldebüt mit Káta Kabanová im Vorjahr das letzte Konzert im Philharmoniker-Zyklus bei den Salzburger Festspielen.
Zahlreiche weitere Orchester-, Kammer- und Solistenkonzerte mit den berühmtesten Klangkörpern von Berlin bis Boston, mit den angesehensten Ensembles aus aller Welt, unter den bedeutendsten Dirigenten – von François-Xavier Roth über Teodor Currentzis und Kirill Petrenko bis Jordi Savall – und mit gefeierten Solist·innen komplettieren das leuchtend tönende Konzertprogramm der Salzburger Festspiele 2023.
Florian Wiegand • Leitung Konzert
zuerst erschienen in der Festspielbeilage der Salzburger Nachrichten 2023