25 Mai 2022

„Ich will ein Universum schaffen“

"Man muss für dieses Abenteuer kampfbereit sein"

Für Rolando Villazón ist Gioachino Rossini ein ganz großer Komponist und Il barbiere di Siviglia sein Meisterwerk. Die Freude, diese Oper zu inszenieren, ist groß. Die Verantwortung ebenfalls.

Die erste Oper, die Rolando Villazón als junger Künstler sang, war eine von Gioachino Rossini: „Il signor Bruschino“. „Das war ganz früh in meiner Karriere, als ich noch am Konservatorium studierte“, erinnert er sich. „Seitdem liebe ich diesen Komponisten und seine Musik. Ich wollte auch immer den Graf Almaviva singen – eine wunderbare Rolle. Aber es hat sich nie ergeben.“ Umso glücklicher sei er gewesen, als ihn die künstlerische Leiterin der Salzburger Pfingstfestspiele, Cecilia Bartoli, einlud, bei Rossinis Meisterwerk „Il barbiere di Siviglia“ 2022 Regie zu führen. „Eine fantastische und eine schwierige Aufgabe. Wenn man so eine großartige Oper mit diesen Sängern inszeniert, übernimmt man eine große Verantwortung. Man muss für dieses Abenteuer kampfbereit sein“, sagt er lachend.

Komödie genau am Punkt. Was aber macht Rossinis „Il barbiere di Siviglia“ „zu einer der besten Opern“? Jede einzelne Nummer sei für sich genommen hervorragend, sagt Villazón. In keinem Moment habe man Zweifel an der sprühenden Kreativität Rossinis oder dächte: „Das ging noch besser.“ Wiewohl das Werk nicht nur eine Kollektion wunderbarer Arien, Duette und Ensembles sei, sondern insgesamt eine Komödie genau am Punkt, alles passe zusammen. Und diesen Anspruch der Stimmigkeit stellt der Künstler auch an sich selbst, er wolle ein Universum erschaffen, in dem alles einen Sinn macht, sagt er: „Regisseur zu sein, heißt nicht, alles neu zu erfinden. Aber man muss ein gutes Konzept haben, einen klaren Weg zeigen und Ideen bringen. Nur dürfen die Ideen nie die Geschichte fressen, sondern sie sollen sie unterstreichen.“ An Einfällen mangelt es Villazón bei der Arbeit nicht. In seiner Inszenierung wird der Verwandlungskünstler Arturo Brachetti fast die ganze Aufführung lang auf der Bühne sein. Für den Mimen schuf Villazón die Figur des Antonio, die es bisher noch nicht gab. Dieser Tagträumer liebt es, sich voll Sehnsucht in alten Filmen zu verlieren.

„Man muss für dieses Abenteuer kampfbereit sein.“

Eine Inspiration, die Villazón nach den langen Monaten der Covid-Pandemie kam: „Wir haben viele Lockdowns hinter uns, alle Theater waren geschlossen, Kunst haben wir nur auf Screens gesehen. Das hat uns allen gezeigt, wie viel tiefer es geht, wenn wir Musik live auf der Bühne erleben. Bildschirme sind schön, aber nicht echt.“
Sehr froh ist Villazón darüber, sein Regiekonzept mit so erfahrenen Künstlern umsetzten zu können: „Keiner von ihnen ist eine kleine Persönlichkeit. Sie stellen die richtigen Fragen, haben eigene Ideen und geben alles. Und sie schätzen einander sehr.“ Wie wichtig das ist, weiß Villazón aus eigener Erfahrung.

Welche Aufgabe fordert ihn mehr: eine Oper zu inszenieren oder sie zu singen? „Bis zu den Proben hat sicherlich der Regisseur die größere Verantwortung. Mit der Premiere dreht sich der Spieß um. Denn danach ist der Regisseur weg, für die Sänger aber geht die Arbeit weiter.“ Apropos Premiere: Wird sich Rolando Villazón während der ersten Aufführung von „Il barbiere di Siviglia“ unter das Publikum mischen? „Nein, das tue ich nie. Aber ich setze mich irgendwohin, wo ich alles beobachten kann. Danach komme ich vor den Vorhang und schaue, was kommt: Buhrufe oder Bravos, ich bin für beides bereit.“

von Judith Hecht
Zuerst erschienen am 25.05.2022 in Die Presse Kultur Spezial: Salzburger Festspiele

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