10 Sep 2022

Das waren die Salzburger Festspiele 2022

Ein Rückblick auf den Festivalsommer

Das Kostbarste, das Festspiele vermögen, ist, eine Zusammenkunft von Menschen und wesentliche künstlerische Begegnungen zu ermöglichen – das ist den Salzburger Festspielen seit ihren Anfängen ein Anliegen.

Vor mehr als hundert Jahren, als Künstler die Festspiele ersonnen haben, lag Europa in Trümmern. Und auch heute empfinden wir uns wieder an der Schwelle einer Zeitenwende. Damals wie heute ist es die Aufgabe von Festspielen, unserem Publikum neue, andere Gedankenräume zu öffnen und anhand der großen Kunstwerke die wesentlichen Fragen unserer Zeit zu stellen. Die Dramaturgie der Salzburger Festspiele 2022 war durch Dantes Divina Commedia geprägt – und von zahlreichen Werken, die zur Zeit des Ersten Weltkriegs entstanden oder uraufgeführt wurden. Mit Carl Orffs De temporum fine comoedia wiederum, einem Endzeitwerk von beispielloser Intensität, wie auch in Leoš Janáčeks Káťa Kabanová oder Marieluise Fleißers Ingolstadt wurden Stücke befragt, die nicht unbedingt im Repertoire verankert sind, aber als Referenzwerke auch für unsere Zeit erkannt wurden. Aufs Schönste hat sich auch in diesem Sommer gezeigt, dass in der Kunst Zwischentöne möglich sind, dass es die Kunst ist, die zur Verfeinerung des Denkens beiträgt“, sagt Intendant Markus Hinterhäuser.

„Der außergewöhnliche Erfolg dieses Festspielsommers zeigt, welche Bedeutung Oper, Theater und Konzert gerade auch in schwierigen Zeiten haben. Angesichts dieser Weltlagedurften und mussten wir der Kunst besonders viel Raum zur Entfaltung geben. Das spiegelt sich auch in den euphorischen Reaktionen unseres Publikums wider. Dass die Auslastungszahlen dem Rekordjahr 2019 gleichen, zeigt die ungebrochene Sehnsucht der Menschen nach kulturellen Live-Erlebnissen. Auch Gäste aus anderen Kontinenten, vor allem aus den USA, haben diesen Sommer wieder verstärkt die Festspiele besucht. Wir möchten aber auch neue Publikumsschichten, junge wie ältere vermehrt an Salzburg binden. Dazu gehören neben Digitalisierungsmaßnahmen in Marketing & Vertrieb die neu ins Leben gerufenen Festspielpatenschaften und ein extra für junges Publikum reserviertes Kontingent von 6.000 vergünstigen Jugendkarten“, sagt Festspielpräsidentin Dr. Kristina Hammer.

„Die Festspielsaison 2022 konnte aufgrund der außerordentlichen Nachfrage wieder an das Rekordniveau des Vor-Pandemiejahres 2019 anschließen. Ohne die gesundheitsbedingten Absagen von vier Vorstellungen wäre sogar ein neuer Rekord erreicht worden. Damit geht erneut von Salzburg ein starkes Zeichen für den in wenigen Tagen startenden Ganzjahresbetrieb aus: Die Nachfrage nach Kunst ist ungebrochen! Mit einer hervorragenden Auslastung von 96% konnten die Erlöse im Vergleich zum Vorjahr um 16% gesteigert werden. Dies wird uns dabei helfen, die vor uns liegenden großen Herausforderungen der außerordentlichen Inflation zu bewältigen. Wir danken allen Künstlerinnen und Künstlern, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und natürlich unserem wunderbaren Publikum für einen künstlerisch und kaufmännisch herausragenden Festspielsommer“, sagt der Kaufmännische Direktor Lukas Crepaz.

„Mit 14 grandiosen Jedermann-Vorstellungen verabschiedete sich Lars Eidinger mit „Buhlschaft“ Verena Altenberger, Edith Clever als unvergesslichem „Tod“, der wunderbaren „Mutter“ Angela Winkler und einem beeindruckenden Ensemble vom Domplatz. Die Thematik des Opfers, vor allem des Frauenopfers, war in allen Sparten ebenso zentral wie die Dreiteilung Dantes Göttlicher Komödie, die ohne den Weg durch die Hölle und das Erreichen des Läuterungsberges kein Paradies verspricht. Diese inhaltliche Setzung hat die diesjährigen Figuren in den Schauspielproduktionen bestimmt. Mit großer ansteckender Spielfreude haben die Darstellerinnen und Darsteller in sehr unterschiedlichen, starken Theaterformen und Regiehandschriften, die zum ersten Mal in Salzburg zu erleben waren, diese Konstellationen ausgeleuchtet. In unserer komplexen Weltlage gibt es keine einfachen Antworten auf die vielen drängenden Fragen, die wir auch auf der Bühne stellen und denen sich das Publikum, gemeinsam mit den Künstlerinnen und Künstlern, mit großer Intensität zugewandt hat“, sagt Bettina Hering, Leitung Schauspiel.

„Als wir das Programm für 2022 erdachten, konnte wir nicht erahnen, dass es mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine eine solch bestürzende Aktualität erfahren würde. Klang gewordene Opfer standen im Zentrum der Ouverture spirituelle: das Gedenken an die Opfer eines der schrecklichsten Massaker der Shoah in Schostakowitschs 13. Symphonie; die schmerzhafte Erinnerung an die Menschheitsverbrechen in Nonos Werken; an den Genozid am armenischen Volk in Mansurians Requiem. Das Klavierstück Guernica von Paul Dessau erinnerte an die im Spanischen Bürgerkrieg vernichtete Stadt und den Terror gegen die schutzlose Zivilbevölkerung … Opfer totalitärer Regime, blindwütiger Vernichtungskriege, politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verwerfungen beklagten die Komponisten in ihren Werken – und beklagen wir heute mitten in Europa. Unerwartete Gegenüberstellungen von Alter und Neuer Musik, von bekannten und entdeckungswürdigen Werken in ungewöhnlichen Konstellationen prägten das gesamte Konzertprogramm und ermöglichten einmal mehr ein anderes, ein neues Hören. Unser Dank gilt den wunderbaren Künstlerinnen und Künstlern, die uns mit ihren unkonventionellen Sichtweisen auf diese Werke gefordert und begeistert haben – und unserem Publikum, das uns wieder so neugierig und aufmerksam auf dieser musikalischen Entdeckungsreise gefolgt ist und sich Zeit genommen hat, die Klänge von Wolfgang Rihm und Béla Bartók zu erkunden“, sagt Florian Wiegand, Leiter Konzert und Medien.