Hotel Metamorphosis

„Ein Panoptikum menschlicher Gefühle“ – so beschreibt der Regisseur Barrie Kosky Ovids Metamorphosen. Verbunden mit Antonio Vivaldis virtuoser und abwechslungsreicher Musik entsteht aus verschiedenen Geschichten dieses einzigartigen antiken Epos ein besonderer Theaterabend für die Salzburger Pfingstfestspiele.

© rocafilm

„Nahezu jede Emotion“, von Wut und Rache bis zu ungebändigter Freude, findet Kosky in Ovids Geschichten, die „von Verwandlungen des menschlichen Körpers in etwas anderes“ erzählen, sei es in einen Baum, in ein Tier oder in Wasser. Für Hotel Metamorphosis werden diese Geschichten mit Arien, Chören und Instrumentalmusik von Antonio Vivaldi verwoben und sind so in verwandelter Gestalt zu entdecken. In diesem Kosmos menschlicher Gefühle begegnen wir Arachne, die in ihrer Webkunst mit der Göttin Minerva in Wettstreit tritt und von ihr schließlich in eine Spinne verwandelt wird. Als Baum findet sich Myrrha wieder, die ihren eigenen Vater begehrte und mit ihm das Bett teilte. Seine Statue eines perfekten Frauenkörpers wird für Pygmalion zur lebendigen Geliebten. In seiner übergroßen Selbstliebe nimmt Narcissus die Avancen einer Nymphe nicht wahr und existiert schließlich nur noch als Stimme.

In ihrer atemraubenden Virtuosität und ergreifenden Expressivität bildet die menschliche Stimme in Vivaldis Arien, Ensembles und Chören das gefühlvolle Zen­trum der Musik. Die Kunstform der Oper war damals noch jung und offenbarte nicht zuletzt spielerische Leichtigkeit, feinsinnigen Humor und ungezähmte Verwandlungslust. So entstand die Gattung des Pasticcio, wofür aus bereits bestehenden Stücken eines oder mehrerer Komponisten ein neues Werk zusammengestellt wurde. Die ursprünglichen Handlungselemente wurden angepasst, oder man erfand rund um die ausgewählten Musikstücke eine komplett neue Geschichte. Ihre Blüte erlebte diese durchlässige und wandlungsfähige Form der Oper und des Oratoriums in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Italien.

Anknüpfend an diese Tradition wird Hotel Metamorphosis zu einem Pasticcio für unsere Zeit: In Ovids komplexen Gefühlswelten werden Menschen von heute erkennbar, Vivaldis Musik lässt sie zwischen Melan­cholie und Freude, zwischen Licht und Dunkelheit wandeln. Cecilia Bartoli kehrt mit dieser Produktion ein weiteres Mal zu einem Künstler zurück, zu dessen Neubewertung als Opernkomponisten sie schon 1999 mit ihrem legendären Vivaldi Album entscheidend beitrug. Zwischen ihr, Varduhi Abrahamyan, Lea Desandre und Philippe Jaroussky ist auf der Bühne des Hauses für Mozart die Schauspielerin Angela Winkler als erzählende Orpheus-Figur zu erleben. Die farbig schillernde Musik bringen Gianluca Capuano und Les Musiciens du Prince – Monaco zum Strahlen und eröffnen den Solist·innen, den Tänzer·innen und dem Chor einen wandlungsreichen Klangraum. Musik und Szene verweben sich für Barrie Kosky so zu „einer Meditation über Ovids Themen, mit Musik von Vivaldi“. Ovid und Vivaldi: für den Regisseur „ein Bund, der im Himmel geschlossen wurde“.

Olaf A. Schmitt

zuerst erschienen in der Festspielbeilage der Salzburger Nachrichten

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