21 Jul 2022

Ich muss meine Grenzen austesten

"Ich habe keine Angst vor einer Niederlage"

Asmik Grigorian war in der Titelpartie von Strauss’ „Salome“ die Sensation des Festspielsommers 2018. Nun singt sie in der Regie von Christof Loy alle drei zentralen Sopranrollen in Giacomo Puccinis „Trittico“.

Nach bisher drei Rollen in Salzburg, der „Wozzeck“-Marie, der Salome und der Chrysothemis in „Elektra“, fügen Sie nun in diesem Sommer gleich drei weitere Partien auf einmal hinzu . . .

Ja, und ich freue mich besonders darauf, weil Puccinis „Trittico“ zu meinen liebsten Stücken überhaupt zählt und die Salzburger Festspiele längst so etwas wie ein Zuhause voller Freunde sind.

Nur ganz wenige Sopranistinnen haben Giorgetta, Angelica und Lauretta an einem einzigen Abend gesungen, Teresa Stratas und Patricia Racette zum Beispiel, auf Platte Renata Tebaldi und Mirella Freni, jeweils spät in ihren Karrieren . . .

Und ich selber auch schon (lacht). Eines ist klar: Es ist unmöglich, dabei drei grundverschiedene Stimmen einzusetzen. Natürlich verlangt jeder der drei Einakter etwas anderes, aber ich kann nicht versuchen, als Giorgetta wie ein dramatischer Mezzo zu klingen und als Lauretta wie ein Koloratursopran. Ich verfüge ohnehin nur über mein ureigenes Material. In Christof Loys Regie werden wir, soviel ich bisher weiß, mit „Gianni Schicchi“ beginnen und mit „Suor Angelica“ enden.

Franz Welser-Möst hat über Loys Konzept gesagt, dass . . .

Halt, erzählen Sie mir bloß nichts! Ich will nichts vorab wissen! (lacht) Aber eines kann ich sagen: Keine Abfolge der drei Opern ist stimmlich wirklich einfach.

Mit Welser-Möst hatten Sie in Salzburg Ihren Durchbruch als Salome und konnten einen ähnlichen Erfolg als Chrysothemis einfahren. War er entscheidend für Ihre Karriere?

Ich tue mir schwer mit dieser Frage, weil ich nämlich nie nach einer Karriere gestrebt habe, sondern immer nur nach Freude an der Arbeit. Ich habe also keine Ahnung, wo ich heute ohne Welser-Möst wäre. Aber ich bin glücklich und dankbar als Künstlerin wie als Mensch, dass ich diesen wunderbaren Kollegen treffen durfte und weiter mit ihm zusammenarbeiten kann. Mit einigen Leuten ist es einfach immer etwas Besonderes. Christof Loy ist zum Beispiel mehr als nur ein Regisseur, sondern auch ein enger Freund von mir. Es geht letztlich stets um diese ganz spezielle Beziehung, die alles ausmacht.

Nach der Senta in Bayreuth letzten Sommer waren Sie als Manon Lescaut zu erleben, als Lisa in „Pique Dame“, als Fedora, Rusalka, Jenufa . . .

Ich könnte mich nie auf einige wenige Partien beschränken, das würde mich langweilen. Ich muss mich immer aufs Neue fordern und austesten. Wenn mich Intendanten fragen, ob ich diese oder jene Rolle singen könne, antworte ich: keine Ahnung, aber ich probiere es aus! Gewisse Künstler wollen solche Risiken zusammen mit mir eingehen – bei der Salome Markus Hinterhäuser und Franz Welser-Möst. Ich liebe gemeinsame Wagnisse.

Sie sind zu neugierig, um ständig auf Nummer sicher zu gehen?

Genau, es ist die Neugierde! Nicht das Risiko um des Risikos willen! Ich muss meine Grenzen austesten und habe dabei auch keine Angst vor einer Niederlage.

Wer Sie auf der Bühne erlebt, hat den Eindruck, Sie geben immer alles.

So lebe ich ganz generell, ich könnte das auch als Mensch überhaupt nicht dosieren. Ich bin in jedem Moment voll da.

Sie stammen aus Litauen, gerade die baltischen Länder sind speziell alarmiert angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine . . .

Krieg ist Krieg und das Furchtbarste, was Menschen einander antun können. Mehr habe ich eigentlich nicht zu sagen. Wenn Sie mich allerdings fragen, ob ich Angst habe, lautet meine Antwort: nein.

von Walter Weidringer
Zuerst erschienen am 25.05.2022 in Die Presse Kultur Spezial: Salzburger Festspiele

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