Anton Zeilinger: Eröffnungsredner der Salzburger Festspiele 2023
Angesichts der vielfältigen Herausforderungen unserer Gegenwart, in der Vereinbarungen und Fundamente in Frage gestellt werden, in der Gewissheiten zerfallen und bisher gültige Erzählungen in Zweifel gezogen werden, wollen wir unsere Welt mit den großen Werken der Kunst befragen und mit Hilfe der erstaunlichen Erkenntnisse der Wissenschaft hinterfragen.
„Anton Zeilinger ist nicht nur einer der bemerkenswertesten Wissenschaftler unserer Zeit, er ist ein ebenso begnadeter Erzähler, der es versteht, komplexe und für unsere Zeit wesentliche Phänomene auf eindrücklichste Weise zu vermitteln“, sagt Intendant Markus Hinterhäuser. „Er beschwört die Schönheit der Mathematik ebenso wie jene der Musik. Er stellt Fragen nach dem Wesen von Wahrheit und Wirklichkeit und nach dem, was Realität eigentlich ist. Er überprüft unsere Auffassung von Raum und Zeit mit dem faszinierenden Instrumentarium der Wissenschaft.“
Anton Zeilinger wurde im Vorjahr der Physiknobelpreis „für Experimente mit verschränkten Photonen, den Nachweis der Verletzung der bellschen Ungleichungen und wegweisende Quanteninformationswissenschaft“ zuerkannt. Die Quantenphysik gilt als die präziseste Naturbeschreibung und liefert die Grundbausteine der modernen Hochtechnologie „mit umwälzenden Folgen für unser aller Wirklichkeit“.
Der Festakt findet am 27. Juli um 11:00 Uhr in der Felsenreitschule statt.
Anton Zeilinger, 1945 in Ried im Innkreis, Österreich, geboren, promovierte 1971 an der Technischen Universität Wien bei Helmut Rauch, einem Pionier der Quantenphysik.
Es folgten Gastaufenthalte am MIT bei Clifford G. Shull (Nobelpreis 1994), am Institut LaueLangevin Grenoble, am Collège de France, an der Universität Oxford, der Technischen Universität München und der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Jahr 1990 wurde Zeilinger an den Lehrstuhl für Experimentalphysik an der Universität Innsbruck berufen, 1999 an den der Universität Wien. Derzeit ist er emeritierter Professor an der Universität Wien und Senior Scientist am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation in Wien (IQOQI Wien), wo er mit seiner Gruppe von Doktoranden und Post-Docs aktiv Forschung betreibt.
Zeilinger arbeitet an den Grundlagen der Quantenphysik. Dabei steht vor allem die Frage im Zentrum, ob – wie Albert Einstein es verlangt hat – die Quantenphysik die Wirklichkeit beschreibt oder – nach Niels Bohr – es der Wissenschaft nur darum gehen darf, was über die Wirklichkeit gesagt werden kann. Also in heutiger Sprache um Information. Dieser aktuelle Zugang wird international stark verfolgt und birgt das Potenzial, zu einer neuen Basis nicht nur der Quantenphysik, sondern unserer Weltsicht zu führen. Zeilinger hat zahlreiche fundamentale Experimente zur Quantenphysik durchgeführt, von denen einige zu Grundlagen einer neuen Informationstechnologie wurden.
Auch außerhalb der Physik hat Zeilinger wichtige Initiativen angestoßen, so etwa die Gründung des Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), die Gründung der Internationalen Akademie Traunkirchen und das Projekt Exile & Excellence: ein Film über die persönlichen Geschichten 16 herausragender Wissenschaftler·innen, die Österreich aufgrund der Verfolgung durch die Nationalsozialisten verlassen mussten.
Neben über 550 wissenschaftlichen Publikationen, von denen einige zu grundlegenden Werken geworden sind, hat Anton Zeilinger auch zwei einflussreiche populärwissenschaftliche Bücher geschrieben, die noch immer Physikinteressierte begeistern: Einsteins Schleier (2003) und Einsteins Spuk (2005; 13. Aufl. 2022).
Anton Zeilinger ist Mitglied zahlreicher Akademien und hat mehrere Ehrenprofessuren und Ehrendoktorate inne. Zu seinen Auszeichnungen und Preisen gehören u.a. das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst (2001), der Orden Pour le Mérite (2001), der King Faisal Preis (2005), die Inaugural Isaac Newton Medal (2008), der WolfPreis für Physik (2010), das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (2015), der Micius Quantum Prize (2019) und zuletzt der Nobelpreis für Physik (2022).