Mitridate, re di Ponto

Der Festspielsommer 2025 bietet die Gelegenheit, zwei von Mozarts weniger bekannten Opern in originellen halbszenischen Produktionen zu erleben:

Die Regisseurin Birgit Kajtna-Wönig und der Dirigent Adam Fischer loten die dramatische Kraft von Mozarts früher Opera seria Mitridate aus, während Raphaël Pichon in einem Projekt rund um Zaide die Frage stellt, was Freiheit heute bedeutet.

© Dominik Odenkirchen

Mitridate, re di Ponto ist Mozarts erste Opera seria, komponiert im Alter von 14 Jahren und 1770 in Mailand uraufgeführt. Die Opera seria – die klassische, „ernste“ italienische Oper des 17. und 18. Jahrhunderts – könnte als Zwitterwesen bezeichnet werden. Sie ist weder Theater noch Konzert, sondern beides zugleich. Mit einer semiszenischen Produktion von Mitridate wollen wir uns an eine zeitgemäße Aufführungspraxis für diese eigentümliche Gattung herantasten, uns gemeinsam mit einer erlesenen Schar von Sänger·innen und dem großen Mozart-Dirigenten Adam Fischer auf die Suche nach einer neuen Erzählweise machen: Wir wollen eine Form finden, die diesem faszinierenden Werk entspricht.

Die Handlung kreist um den historischen König Mitridate, der im 1. Jahrhundert vor Christus lange Kriege gegen die Römer führte, seine Söhne Sifare und Farnace sowie die von beiden Brüdern begehrte Aspasia – die Frau, mit der sich Mitridate selbst vor Beginn seines jüngsten Feldzugs verlobt hat. Im inhaltlichen Fokus stehen die durch Krieg geprägte Familiengeschichte und eine übermächtige Vaterfigur. Wir bilden Familie als einen Mikrokosmos ab, der nach seinen eigenen Regeln und Wertvorstellungen funktioniert und dessen Zusammenhalt sich oft in Hassliebe manifestiert. Es stellt sich die Frage, wie die sich wiederholende Schleife des Hasses in dieser Geschichte, ein über Generationen weitergeführter Konflikt, durchbrochen werden kann.

Bei der Aufführung gilt es, die Figuren in ihrer Authentizität zu zeigen. Die Opera seria mit ihrer stringenten Abfolge aus Rezitativ und Arie stellt sich dabei als äußerst reizvolle Form dar: Die in den Rezitativen vorangetriebene Handlung hält in den Arien inne und die Figuren haben Raum, ihre Emotionen freizulegen. Oft passiert das fast vulkanartig, manch-mal auf sehr fragile, verletzliche Weise. Koloraturen – ein „Markenzeichen“ der Opera seria – bieten den Sänger·innen Gelegenheit, ihre vokale Virtuosität vorzuführen, für mich sind sie aber vor allem Ausdruck innerster Gefühle: Es wird gleichsam ein Ventil geöffnet, der Zuhörer findet sich in der Rolle des Voyeurs wieder und erhält einen intimen Einblick in den seelischen Zustand einer Figur.

Die Arie als angehaltener, kostbarer Augenblick, auf den wir uns einlassen können, ohne etwas von der Handlung zu verpassen – dieser Gedanke ist auch Adam Fischer in seinem Verhältnis zur Kunstgattung Oper sehr wichtig. In unserer Aufführung wird das Mozarteumorchester übrigens in das szenische Gesamtbild integriert: Es bleibt für das Publikum sichtbar und agiert als Teil der Handlung auf der Bühne.

Birgit Kajtna-Wönig
zuerst erschienen in der Festspielbeilage der Salzburger Nachrichten