30 Mai 2023

Nachruf zum Tod von Peter Simonischek

„Einer der ganz großen Schauspieler ist von uns gegangen. Peter Simonischek war über fast ein Jahrzehnt ein vergleichsloser Jedermann. Mit seiner einzigartigen Bühnenpräsenz füllte er die beeindruckenden Dimensionen des Domplatzes mit Leichtigkeit, mit jeder Zelle seines Körpers war er der Jedermann. Peter Simonischek war mit einer Überfülle an Qualität gesegnet, er war das, was man im besten Sinne des Wortes einen Publikumsliebling nennt – und das vollkommen zu Recht“, sagte Intendant Markus Hinterhäuser in einer ersten Stellungnahme.

Beeindruckende 210 Mal – für 200 Schauspielvorstellungen, vier Lesungen und sechs Orchesterkonzerte – stand Peter Simonischek auf der Festspielbühne.

Bereits 1982 feierte Peter Simonischek als 26-jähriger sein Debüt bei den Salzburger Festspielen mit Goethes leidenschaftlichem, zum Wahnsinn neigenden Dichter Torquato Tasso. „Peter Maria Simonischek gelang es, die widersprüchlichen Charakterzüge Tassos plausibel, die Figur faszinierend und abstoßend zugleich zu machen, ohne in die Karikatur abzugleiten“, schrieb die Neue Zürcher Zeitung.

1986 folgte die Rolle des Okeanos in der sprachmächtigen Übersetzung von Peter Handke in Aischylos’ Prometheus, gefesselt. 1988 gab er den Horch in Elias Canettis Hochzeit und 1992 den Wernyhora in Stanisław Wyspiańskis Wesele. Ab 1991 verkörperte der gebürtige Grazer vier Jahre den Tod im Jedermann, als „würdiger, mit Autorität ausgestatteter Knochenmann“, wie die Salzburger Nachrichten berichteten.

1995 und 1996 begeisterte Simonischek als Leonid Andrejewitsch Gajew in Peter Steins Inszenierung von Anton Tschechows Kirschgarten. „Überragend ist Peter Simonischek als Gajew, welcher damit zum eigentlichen Partner der Ranjewskaja wird“, schwärmte Barbara Heilig in der Neuen Zürcher Zeitung. „Immer bereit, sich von irgendetwas Nebensächlichem ablenken zu lassen, das seine gesamte Konzentration absorbiert – Billardgeräusche aus dem Nebenzimmer, Musik in der Ferne –, scheint er das quecksilbrige Temperament der Schwester gar nicht wahrzunehmen; dennoch ist offensichtlich, wie ihn die unaufhaltsame Entwicklung umtreibt: als eigentlich tragische Figur schreitet er, seine aufrechte Haltung der Form nach bewahrend, als Verlierer ins Nichts.“

2002 übernahm Peter Simonischek die Rolle des Jedermann in Christian Stückls Neuinterpretation des Gründungstückes der Festspiele. Acht Jahre lang und 91 Mal, so oft wie kein anderer, verkörperte er den reichen Mann auf dem Domplatz. Simonischek interpretierte die Rolle als einen brutalen Kapitalisten und scheiternden Machtmenschen. „Peter Simonischek ist der ideale Jedermann. Seit den sechziger Jahren hat es wohl keinen besseren gegeben. Er ist eine kraftvolle, rücksichtslose Erscheinung und beherrscht die Riesenbühne jederzeit aufs Beste. Das ist kein tändelnder Liebhaber, sondern einer, der glaubt, dass ihm alles, was er sich nur wünscht, rechtmäßig zusteht“, bemerkte Werner Thuswaldner in den Salzburger Nachrichten.

In seiner Abschiedsrede an das Jedermann-Ensemble sagte Simonischek 2009, er habe sich bereits mit acht Jahren in den Jedermann verliebt: „Da gab es in unserem Schullesebuch ein Foto von einem Schauspieler, der an einer gedeckten Tafel stand, einen Blumenkranz in den Haaren hatte, mit strahlender Miene einen Becher hoch hielt und scheinbar eine launige Rede hielt. Über seine Schulter schaute der Tod mit nacktem Schädel und Gerippe. Der Bekränzte in Siegerpose schien den Gesellen hinter sich noch nicht zu bemerken, während die schöne Frau an seiner Seite schon entsetzt auf die Erscheinung starrte. Ein Bild von hoher Dramatik und metaphorischer Kraft, das mich als Kind faszinierte und das ich immer wieder ansehen musste. Als Bildunterschrift stand: Hugo von Hofmannsthal, Jedermann, Attila Hörbiger und Judith Holzmeister am Domplatz in Salzburg.

Ich habe dieses Bild wohl in meinem Herzen bewahrt, wie Andere die Idole ihrer Generation, Matthias Sindelar, den ‚Papierenen‘ oder Toni Sailer, den dreifachen Olympiasieger. Das war der Boden, auf den der Antrag der Festspiele fiel… und dass die Saat aufgegangen ist und zu solcher Blüte im ersten Jahr und zu reicher Ernte (in jeder Hinsicht) in den folgenden Sommern sich entfaltete, lag neben der Gunst der launischen Thalia an vielen glücklichen Umständen und klugen Entscheidungen.“

2012 kehrte er als Kurfürst in Heinrich von Kleists Prinz Friedrich von Homburg auf die Festspielbühne zurück und 2016 übernahm er, zu seinem 70. Geburtstag, die große Altersrolle Prospero in Shakespeares Sturm auf der Perner-Insel.

Doch nicht nur als Schauspieler hat Peter Simonischek Festspielgeschichte geschrieben. Als Sprecher hat er in drei Uraufführungen von konzertanten Werken mitgewirkt: 2006 in einem Konzert der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Riccardo Muti in einem an Fabio Vacchi vergebenen Auftragswerk, 2013 im Rahmen einer Mozartmatinee in der Passion Giordano Bruno von Gerhard Wimberger und 2016, als es galt, Halleluja – oratorium balbulum von Peter Eötvös nach einem Text von Péter Esterházy aus der Taufe zu heben.

„Die schwarze Fahne, die heute am Festspielhaus weht, ist ein Zeichen der Trauer und der Dankbarkeit für Peter Simonischeks Wirken bei den Salzburger Festspielen“, erklärte das Festspieldirektorium.

2020 war Peter Simonischek zusammen mit Veronica Ferres das letzte mal bei den Salzburger Festspielen für eine Lesung.
Sie können diese hier nachschauen.