Nachruf zum Tod von
Bernard Haitink
„Mit Bernard Haitink verliert die Musikwelt eine der großen Dirigentenpersönlichkeiten unserer Zeit. Groß in seiner musikalischen Aufrichtigkeit, groß in seinem musikalischen Ethos. Insbesondere mit seinen Bruckner- und Mahlerinterpretationen hat er bei den Salzburger Festspielen Maßstäbe gesetzt. Ganz und gar unvergesslich und bewegend sein letztes Festspielkonzert mit Bruckners 7. Symphonie zum Abschluss der Festspiele 2019“, sagte Intendant Markus Hinterhäuser in einer ersten Stellungnahme.
Bernard Haitink wollte nie ein Superstar am Pult sein. Die laute Effekthascherei mancher seiner Kollegen war seine Sache nie. Nicht auf dem Konzertpodium und auch nicht abseits davon. Ein Orchester müsse man motivieren und inspirieren, sagte er selbst, und „ich bin ein bisschen schüchtern“. Derek Weber brachte es auf den Punkt „Bernard Haitink ist kein Mann fürs Grobe, er bläst nicht auf, was ohnehin schon mit großer Geste geschrieben ist; er fügt dem Pathos verfeinernde Seiten zu und adelt mit Poesie, was andere zum Fin-de-siecle-Kitsch verdonnern.“
Sein Festspieldebüt gab Haitink, der bereits in jungen Jahren große Erfolge mit dem Concertgebouw-Orchester seiner Heimatstadt Amsterdam und dem London Philharmonic Orchestra feierte, erst mit über sechzig Jahren. Im Mozartjahr 1991 brachte er zusammen mit Michael Hampe Le Nozze di Figaro zur Aufführung. H. G. Pribil schwärmte in der Wiener Zeitung „Bernard Haitink am Pult war ein Garant dafür, dass man den Pulsschlag der Musik vernahm. Immer wieder verstand es Haitink ganz dichte und intensive Momente zu gestalten, hatte aber dennoch stets die große Linie vor Augen und sorgte für zügiges Musizieren und Schwung. Und die Wiener Philharmoniker folgten ihm bereitwillig.“
1993 übernahm Bernard Haitink von Georg Solti die musikalische Leitung in der erfolgreichen Wiederaufnahme von Mozarts Die Zauberflöte in der Regie von Johannes Schaaf. Ein besonderer Höhepunkt war zweifellos seine Interpretation von Mahlers Neunter mit den Wiener Philharmonikern 1997, die, wie Karl Harb in den Salzburger Nachrichten vermerkte, „ohne den geringsten äußerlichen Effekt schlicht und einfach groß geraten ist.“
Wie überhaupt seine Beziehung zu den Wiener Philharmonikern eine ganz besondere war, als „ein Herz und eine Seele“, bezeichnete sie Karlheinz Roschitz im August 2010 in der Kronen Zeitung.
Mit „seinen“ Orchestern, dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam und der Sächsischen Staatskapelle Dresden, feierte er Triumphe mit Anton Bruckner und Richard Strauss, die das Festspielpublikum zu wahren Beifallsstürmen hinriss.
Im Festspielsommer 2019 stand der bereits 90-jährige Dirigent noch ein letztes Mal am Pult der Wiener Philharmoniker. Haitink wählt für sein Abschiedskonzert mit Anton Bruckner jenen Komponisten, der ihn sein Leben lang begleitet und geprägt hatte, seitdem er als Achtjähriger erstmals eine Sinfonie von ihm hörte: „Bruckner war einfach immer da“, erklärte der niederländische Maestro den Stellenwert, den der österreichische Sinfoniker für ihn einnahm.
„Die Musikwelt hat einen der ganz Großen verloren. Er wollte nie triumphieren, aber wahrscheinlich sind ihm gerade deshalb solche Triumphe mit seinen Interpretationen gelungen. Die Festspiele sind dankbar, dass wir ihn in Salzburg haben durften. Durch sein Werk lebt er in uns fort“, drückte Festspiele Präsidentin Helga Rabl-Stadler ihre Trauer um den Tod des großen Dirigenten aus.