Maria Stuarda

Nach seinen eindrucksvollen Inszenierungen von Aischylos’ Die Perser und Lessings Nathan der Weise kehrt Ulrich Rasche für eine Belcanto-Oper nach Salzburg zurück, die vom Machtkampf zwischen zwei historischen Königinnen erzählt. Das radikale Formbewusstsein, das seine Schauspielarbeiten auszeichnet, prägt auch Rasches Annäherung an Donizettis Maria Stuarda. Im Gespräch gibt er Auskunft über seine Nähe zum Musiktheater, die Machtmechanismen in Maria Stuarda und seine Vorarbeit mit Lisette Oropesa und Kate Lindsey, die in den Glanzrollen von Elisabeth I. und Maria Stuart zu erleben sind.

© Tobias Kruse

Herr Rasche, Sie sind ein sehr erfahrener Schauspielregisseur. Nach Elektra in Genf und der Johannes-Passion in Stuttgart ist Maria Stuarda Ihre dritte Musiktheater-Inszenierung. Wie würden Sie den Unterschied zur Arbeit im Schauspiel beschreiben?

Ulrich Rasche: In meinen Theaterinszenierungen gab es schon immer viele Anleihen am Musiktheater – ich arbeite sehr häufig mit einem Komponisten und einer musikalischen Live-Begleitung. Die gesamte Dramaturgie eines Abends ist bei mir stark an musikalischen Motiven orientiert. Daher ist der Sprung in die Oper nicht so groß, wie man vielleicht denken könnte. Ein in jedem Fall wesentlicher Unterschied ist, dass Sänger·innen ganz andere Bedürfnisse haben als Schauspieler·innen, andere Zwänge und Nöte. So entsteht ein anderes Verhältnis zwischen Regie und Darsteller·innen. Darüber hinaus unterscheidet sich der Produktions- und Probenprozess, der in der Oper in gewisser Weise reglementierter ist, aber auch eine unterstützende Form und Struktur bietet.

Welches Verhältnis haben Sie zur Oper und insbesondere zum Belcanto?

Privat höre ich Belcanto sehr gern. Aber die Anfrage aus Salzburg hat mich dann doch überrascht, weil die musikalische Welt des Belcanto zunächst einmal sehr weit von meiner Ästhetik entfernt ist. Je länger ich mich jedoch damit beschäftige, desto mehr finde ich diesen Widerspruch interessant und fruchtbar. Der Inhalt von Donizettis Maria Stuarda ist meiner eigenen Arbeit sehr nah: Die Rivalität und die Härte, die zwischen den beiden Königinnen Maria Stuart und Elisabeth I. herrschen und die konsequent auf die Ermordung der Gegnerin hinauslaufen, sind eng verbunden mit Themen, mit denen ich mich schon lange beschäftige. Darin sehe ich eine Chance, der scheinbar leicht konsumierbaren Musik dramatisches Gewicht zu verleihen und den Inhalt wieder in den Vordergrund zu rücken: Dann geht es nicht nur um zwei schillernde, extrovertierte Frauen, sondern um ein verzweifeltes Ringen um Macht, um das nackte Überleben. Und um einen Kampf zwischen zwei mächtigen Königinnen, der brutaler ist als das, was der Titel Maria Stuarda vielleicht suggeriert.

Wovon handelt Maria Stuarda?

Wir haben die Beziehung der beiden Königinnen zueinander, in der Eifersucht, Neid und Hass – fast wie in einer Soap-Opera – eine Rolle spielen; darüber hinaus schildert die Oper aber die Mechanik von Macht prinzipiell – eine Mechanik, die außerhalb dieser beiden Herrscherinnen ihre Wirkung entfaltet. Das ist der Kontext, in dem beide sich bewegen. Deswegen ist es so wichtig, zum einen die sie umgebenden Personen und deren Macht mitzudenken, zum anderen auch das Volk, das gleich zu Beginn zu hören ist und Königin Elisabeth unter Druck setzt. Es wird deutlich, dass verschiedene Gruppen wie das Volk oder der Hofstaat ihre ganz eigenen Gründe bereithalten, um in das Geschehen einzugreifen. So beschreibt die Oper auch zwei mächtige Frauen unter Beobachtung, umgeben und manipuliert von einer ausschließlich männlichen Gruppe innerhalb des Staatsapparats.

Haben Sie schon Gespräche mit Kate Lindsey und Lisette Oropesa, den Sängerinnen der beiden Hauptrollen, geführt?

Ja. Es gab schon einige Begegnungen – unserer Probenarbeit geht ja eine lange Vorbereitungszeit voraus. Die Sängerinnen sind sehr aufgeschlossen für unser Konzept. Die Verbindung von choreografierter Bewegung mit dem Metrum der Musik erscheint ihrem eigenen Empfinden sehr nah. Diese offene, kooperative Haltung der beiden Hauptdarstellerinnen hat viel Freude und Optimismus für den Sommer aufkommen lassen.

Würden Sie Ihre Arbeit als choreografisch bezeichnen?

Die Betonung des „Choreografischen“ oder des „Formalen“ allein würde meine Arbeitsweise nicht wirklich erfassen. Da ich vom Schauspiel komme, begreife ich meine Arbeit als starke Auseinandersetzung mit dem Text, den Figuren und der jeweiligen Situation. Die Arbeiten sind zwar große ästhetische Entwürfe, sie setzen jedoch ganz klar beim Inhalt und den Figuren an und drücken sich erst im nächsten Schritt in einer formalen Weise aus. Hier wird nicht etwas von außen an das Werk herangetragen, sondern die Annäherung beginnt mit inhaltlichen Überlegungen und der Auseinandersetzung mit dem Werk selbst.

 

Das Gespräch führte Yvonne Gebauer
Zuerst erschienen in der Festspielbeilage der Salzburger Nachrichten

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