Giulio Cesare in Egitto
Georg Friedrich Händel

Der vielfach ausgezeichnete Regisseur Dmitri Tcherniakov gibt mit seinem Festspieldebüt auch sein Debüt im barocken Opernrepertoire: Er erarbeitet Händels Giulio Cesare in Egitto mit der Alte-Musik-Spezialistin Emmanuelle Haïm und einer Gruppe von Barock-erfahrenen Sänger·innen. In einem Gespräch umriss er in Grundzügen seine ebenso eigenwillige wie aufregende Sicht auf das Werk.
„Das Interessante an Giulio Cesare besteht für mich darin, dass sich alle Figuren in einem ständigen Kampf befinden – durchgehend herrscht ein Zustand unversöhnlicher, tödlicher Feindschaft. Es gibt keinen geschützten Raum, und es ist unmöglich, irgendjemandem zu trauen oder ein entspanntes Verhältnis zu ihm aufzubauen. Heutige politische Auseinandersetzungen sehen zumindest an der Oberfläche zivilisierter aus, in dieser Oper aber wird alles offen ausgetragen – wild und schamlos. In meiner Inszenierung versetze ich die acht Figuren der Oper in Umstände, die den Kampf noch weiter zuspitzen: in eine Situation, die sie zwingt, sich – so wie in Sartres Geschlossene Gesellschaft – zusammen in einem isolierten, von der Realität abgeschnittenen Raum aufzuhalten. Diese Situation entwertet ihre bisherigen Positionen und sozialen Funktionen, die sie sich alle von Neuem aneignen müssen.
Die Zuschauer·innen werden schnell merken, dass sie es nicht mit antiken Helden, sondern mit heutigen Menschen zu tun haben. Dank eines Bühnenbildes, das so weit wie möglich in Richtung Zuschauerraum vorgeschoben wird, soll das Publikum die Leidenschaften, Instinkte und Strategien dieser Menschen ganz direkt und intensiv mitverfolgen.
Erotische Beziehungen spielen in dieser Oper eine große Rolle, doch auch sie bilden einen Teil der Machtspiele. Giulio Cesare ist kein Werk über die Liebe, sondern darüber, was die menschliche Natur zutage bringt, wenn wir uns in einer Grenzsituation, in einer kritischen oder verzweifelten Lage befinden. Wie reagieren wir dann? Wird unser Verhalten vielleicht auch uns selbst überraschen? Oder uns beängstigen?“
Zuerst erschienen in der Festspielbeilage der Salzburger Nachrichten