Cléments Salzburg-Debut: Jacques Offenbachs „Les Contes d’Hoffmann“
Regisseurin Mariame Clément gibt erste Einblicke in ihre Neuinszenierung von Jacques Offenbachs LES CONTES D‘HOFFMANN
Intendant Markus Hinterhäuser vertraut Mariame Clément die Neuinszenierung von Les Contes d’Hoffmann (Hoffmanns Erzählungen) von Jacques Offenbach an. Marc Minkowski dirigiert die Wiener Philharmoniker, orchestraler Fixstern der Salzburger Festspiele.
Mariame Clément, die aus Paris stammt, fühlte sich bereits als Fünfjährige von der Oper unwiderstehlich angezogen. Bis heute fasziniert sie an dieser – wie sie es nennt – „magischen Kunstform“, dass sie zwar künstlich und stilisiert ist, uns zugleich aber auf eine ganz ursprüngliche, konkrete und unmittelbare Weise berührt. Ihr Salzburg-Debüt gibt sie mit einer Oper, die seit 2003 nicht mehr auf dem Festspielprogramm stand: Les Contes d’Hoffmann. Im Interview gibt sie erste Einblicke in ihre Sicht auf das Werk.
Offenbach stellt in seinem letzten, nicht ganz vollendeten Werk eine historische Persönlichkeit als Opernfigur auf die Bühne: den deutschen romantischen Dichter E.T.A. Hoffmann. Wer ist der Hoffmann, dem wir in dieser „opéra fantastique“ begegnen?
Wer Hoffmann eigentlich ist, bildet in der Tat die zentrale Frage, wenn man Les Contes d’Hoffmann inszeniert. Es gilt, die Hauptfigur zu verstehen und zu erkennen, was sie uns vermitteln kann. Auf jeden Fall ist Hoffmann – wie sein reales Modell – ein Künstler, und natürlich ist er der Autor der Erzählungen, die wir in den drei Mittelakten erleben. Ungewöhnlicherweise tritt Hoffmann in diesen Erzählungen aber auch als handelnde Figur auf. Damit transportiert das Stück den Gedanken, dass jeder Künstler in seinen Werken von sich selbst, von seinem eigenen Ich erzählt. In meiner Inszenierung wird es mir darum gehen, zu erforschen, wie sich Kunst und Leben in diesem konkreten Fall miteinander verweben. Dabei werde ich die drei Erzählungen mit einzelnen Stationen von Hoffmanns Biografie als Künstler verknüpfen.
Die Erzählungen sind alle unglückliche Liebesgeschichten, in denen Hoffmann sich als „Opfer“ der jeweiligen Protagonistinnen darstellt …
Das Frauenbild, das sich in Olympia, Antonia und Giulietta widerspiegelt, ist aus heutiger Sicht nicht unproblematisch: Wir haben eine Puppe, eine Künstlerin, die sich nicht ausdrücken darf, und eine Kurtisane – mit anderen Worten eine Hure. Die drei Frauen der Erzählungen sind, wie Hoffmann seinen Zuhörern mitteilt, alle in der „realen“ Frau der Rahmenhandlung enthalten, also in jener Stella, in die Hoffmann trotz ihrer Trennung wohl immer noch verliebt ist. Strukturell bilden Olympia, Antonia und Giulietta reine Projektionen Hoffmanns, eine Fantasie des Autors. Dennoch ist es mir wichtig, diesen Frauen – oder dieser einen Frau – ein eigenständiges Leben zu geben und sie nicht nur als Projektionen zu zeigen.
Der Gedanke, dass Olympia, Antonia und Giulietta Teilaspekte von Stella sind, vermittelt sich auch darin, dass alle diese Rollen von einer einzigen Sängerin verkörpert werden sollen – eine Vorgabe, der die Salzburger Festspiele im Gegensatz zu vielen anderen Produktionen folgen. Die zweite große Vierfachrolle der Oper ist Lindorf mit seinen Pendants in den drei Erzählungen. Wer sind diese sogenannten „Bösewichte“?
Ich habe den Eindruck, dass man hier oft allzu vorschnell und pauschal von „Bösewichten“ spricht, also im Grunde Verkörperungen des Teufels. Bei meinen Überlegungen zur Inszenierung bildeten diese Figuren insofern einen Ausgangspunkt, als mir auffiel, dass ihre Funktionen in den drei Erzählungen sehr unterschiedlich sind. Coppélius im Olympia-Akt und Dr. Miracle im Antonia-Akt agieren eigentlich nicht direkt gegen Hoffmann, sondern vielmehr gegen Olympias „Erfinder“ Spalanzani bzw. gegen Antonia und ihren Vater Crespel. Hoffmann ist so etwas wie ein Kollateralschaden; er leidet, aber das „Böse“ richtet sich nicht gegen ihn – was ich sehr wichtig finde. Im Giulietta-Akt hingegen haben wir einen faustischen Pakt zwischen Giulietta und Dapertutto, dessen Ziel es ist, Hoffmann das Spiegelbild, d.h. die Seele, zu rauben. Die Situation ist ganz anders als in den beiden vorangehenden Akten, und was Hoffmann erlebt, erscheint wie eine paranoide Übertreibung. Es war nicht zuletzt die genaue Untersuchung der Rollen, die die sogenannten „Bösewichte“ in den Erzählungen spielen, die mir den Weg gewiesen hat, wie man die einzelnen Akte inszenatorisch unterschiedlich erzählen kann.
Wie empfinden Sie die Musik, die Offenbach für Les Contes d’Hoffmann geschrieben hat?
Hoffmann ist ein Stück, mit dem ich groß geworden bin – als Französin habe ich das Lied von Klein-Zack schon als Kind gesungen! Ich finde, das Spannende und zugleich das Schwierige an dieser Oper ist, dass sie so vielfältig, ja heterogen ist; das gilt musikalisch ebenso wie dramaturgisch. Einerseits hat die Musik, wie immer bei Offenbach, diese unglaubliche Leichtigkeit im besten Sinne. Ich habe schon mehrere Stücke von Offenbach inszeniert und liebe seine Musik, vor allem die Tatsache, dass der Humor bei ihm schon in der Musik selbst eingebaut ist: Es ist musikalisch witzig, nicht nur dramaturgisch. Besonders sind die Contes d’Hoffmann auch, weil sie von der dramatischen Intensität her viel stärker sind als die bekannten Operetten von Offenbach. Wir haben also eine enorme Vielfalt in der Musik: witzig und leicht, aber auch sehr tief, rührend und hoch dramatisch. Eine der Herausforderungen bei der Aufführung dieser Oper besteht genau darin, diese vielen Aspekte zur Geltung zur bringen.
„Offenbach sah in Les Contes d’Hoffmann, entstanden für die Pariser Opéra-Comique, die Chance, all jene eines Besseren zu belehren, die ihn zu einem reinen Operettenkomponisten abstempelten. Er hatte Bühnenwerke in fast jedem Genre geschrieben. Die stilistische Vielfalt seiner finalen „opéra fantastique“ ist faszinierend.“