Martha Jungwirth, Ohne Titel, ohne Jahr
Aquarell auf Papier (Kontobuchseite), 39,8 x 29 cm
Foto: Gerd Hasler / Akademie der bildenden Künste Wien, 2021
© Martha Jungwirth / Bildrecht, Wien 2023
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„Frage mich nichts, später wirst du alles erfahren.“

Hoffmann hat sie wieder gesehen, gerade eben: Stella, die von allen als Star gefeiert wird; Stella, die Geliebte, die ihn verlassen hat. Kaum verheilte Wunden brechen wieder auf, und selbst in Gesellschaft seiner Trinkkumpane vermag Hoffmann nicht, die Gefühle beiseitezuschieben, die Stellas Anblick in ihm ausgelöst hat. Und dann kreuzt auch noch Lindorf, dieser Unglücksbringer, seinen Weg … Doch die Krise setzt kreative Energie frei: Wie um sich und den anderen das Scheitern seiner Liebesbeziehung zu erklären, improvisiert Hoffmann drei Erzählungen, in denen er Stella in drei unterschiedliche Figuren aufspaltet. Denn in seiner (Ex-)Geliebten, so verkündet er seinen Zuhörern, wohnen „drei Seelen“: „Drei Frauen in derselben Frau!“

In den 1830er-Jahren entwickelte sich in Frankreich ein regelrechter Kult um E. T. A. Hoffmann, und auch das restliche Jahrhundert über blieb er dort einer der populärsten und einflussreichsten deutschen Dichter. Man bewunderte, wie in seinen Erzählungen und Romanen das „fantastique“ – das Übernatürliche – in die Wirklichkeit hereinbrach, wie die Grenzen zwischen Innen- und Außenleben verschwammen. Ebenso sehr aber faszinierte Hoffmann als Persönlichkeit. Er bildete den Inbegriff einer zerrissenen romantischen Künstlerexistenz, und schon seine frühen Biografen neigten dazu, seinem Leben legendäre Züge zu verleihen. Wenig verwunderlich also, dass sich in den Werken einiger junger französischer Autoren bald nicht nur Gestalten fanden, die von Hoffmanns Texten inspiriert waren, sondern auch Hoffmann selbst: Der reale Dichter wurde zur literarischen Figur.

Ein besonderer Fall ist Jules Barbiers und Michel Carrés Schauspiel Les Contes d’Hoffmann von 1851, das Barbier 1877 zum Opernlibretto für Jacques Offenbach umformte. Während in den drei Mittelakten, den „Erzählungen“, literarische Vorlagen Hoffmanns verarbeitet sind, begegnen wir in der „Wirklichkeit“ der beiden Rahmenakte Hoffmann als Menschen – und eben als Erzähler. Zusätzlich erscheint Hoffmann aber, in einer eigenwilligen Verschachtelung der Ebenen, als Protagonist in seinen eigenen Erzählungen, die alle unglückliche Liebesgeschichten sind. Dabei bleibt er stets er selbst, und das Gleiche ließe sich für seinen treuen Begleiter Nicklausse behaupten, würde dieser (oder diese?) sich uns zu Beginn nicht als „die Muse“ vorstellen. Für Stella und die Figuren, in die Hoffmann sie auffächert, sah Offenbach eine einzige Sopranistin vor; auch Hoffmanns machtvoller Gegenspieler Lindorf und dessen erzählerische Reinkarnationen – mal skurril, mal unheimlich oder dämonisch – sind als Vierfach-Rolle konzipiert. Die Welten der Realität und der Fantasie, Hoffmanns persönliche Lebenssituation und seine künstlerischen Hervorbringungen sind in Les Contes d’Hoffmann also aufs Engste miteinander verwoben.

Die französische Regisseurin Mariame Clément wird dem Verhältnis von Kunst und echtem Leben nachspüren, indem sie in ihrer Inszenierung die drei „Erzählungen“ mit einzelnen Stationen von Hoffmanns Biografie als Künstler verknüpft. Das hat entscheidende Konsequenzen für die Frauenfiguren oder besser gesagt für die Sichtweise der Bilder, die Hoffmann auf Stella projiziert: die engelhafte, aber gefühlskalte Olympia, die sich als Puppe herausstellt; Antonia, die nicht bereit ist, ihrer künstlerischen Berufung abzuschwören, und sich zu Tode singt; die Kurtisane Giulietta, die als Femme fatale Gefühle nur vortäuscht, um Hoffmann die Seele abzulisten. Für Mariame Clément ist es wesentlich, diesen Figuren eigenständiges Leben zu geben, eine reale Identität und damit das Potenzial, die ihnen auferlegten Weiblichkeitsbilder zu problematisieren.

Offenbach sah in Les Contes d’Hoffmann, entstanden für die Pariser Opéra-Comique, die letzte Chance, all jene eines Besseren zu belehren, die ihn zu einem bloßen Operettenkomponisten abstempelten. In Wirklichkeit hatte er Bühnenwerke in fast jedem Genre geschrieben, und ein Faszinosum seiner finalen „opéra fantastique“, die er bis zu seinem Tod im Oktober 1880 nicht ganz vollenden konnte, ist gerade ihre stilistische Vielfalt, ja Heterogenität: In Salzburg wird Marc Minkowski die Partitur – ihren pointierten Witz und romantischen Überschwang, ihre rührende Empfindsamkeit und tragische Intensität – zu schillerndem Leben erwecken.

Christian Arseni

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