Zum Zeitstrahl
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1990er-Jahre

Mit seiner Bestellung zum Künstlerischen Leiter trat der belgische Opernintendant Gerard Mortier am 1. September 1991 das Erbe Herbert von Karajans an. „Das neue Salzburg“, das Mortier proklamierte, verfolgte eine Politik der Öffnung: hin zu einem breiteren und moderneren Repertoire, zu zeitgemäßen, mitunter auch provokanten Sichtweisen, zu anderen und jüngeren Publikumsschichten. Die Zahl der Neuproduktionen erhöhte sich, und eine Reihe neuer Regisseure trat an: Herbert Wernicke, Karl-Ernst Herrmann, Peter Mussbach, Hans Neuenfels, Luc Bondy, Peter Sellars, Robert Wilson und Christoph Marthaler prägten die Ästhetik der Ära ­Mortier.

Der konfliktfreudige Intendant legte sich aber auch mit mancher Institution an: mit den Wiener Philharmonikern, dem Starzirkus, dem Geldadel, der omnipräsenten Plattenindustrie – und wurde zur Zielscheibe konservativer Kritik. Mortier, der sich politischen Diskussionen beredt anschloss, öffnete die Festspiele „zum Ort der Aufbrüche und der Konfrontation“.

Wenngleich nur zwei Opernuraufführungen unter seiner Intendanz herauskamen, bestimmte insgesamt die konsequente Pflege des Repertoires des 20. Jahrhunderts das Programm: Ein Janáček-Zyklus, Messiaens Saint François d’Assise, Ligetis Le Grand Macabre, aber auch Opern von Strawinsky, Schönberg, Berg, Weill und Busoni bildeten Meilensteine des erneuerten Spielplans. Das Schauspiel erhielt durch Peter Stein einen weitaus höheren Stellenwert. Mit seinem Römerdramen-Zyklus gewann er zudem die Felsenreitschule für das Schauspiel wieder; gleichzeitig eroberte er die Perner-Insel in Hallein als Spielort für die Festspiele. Die Konzertsparte unter Hans Landesmann präsentierte viel beachtete, dramaturgisch durchdachte Zyklen. 1998 wurden die vormaligen Karajan’schen Pfingstkonzerte unter Landesmanns Leitung in ein Barockfestival umgewandelt und in die Festspielstruktur eingebunden. Ab 1993 bereicherte zudem das avantgardistische Zeitfluß-Festival unter der Leitung von Markus Hinterhäuser und Tomas Zierhofer-Kin die Salzburger Festspiele.

Auch in der Finanzierung ging man ab 1990 neue Wege: Mit den Firmen ABB, Allianz und Nestlé wurden erstmals Sponsorenverträge abgeschlossen. Ab 1995 wurden der Ingolstädter Autokonzern Audi und Nestlé Hauptsponsoren. Als dritter Hauptsponsor stieß 1999 Siemens dazu. Aber auch Mäzene wie Alberto Vilar oder Betty Freeman sowie der Verein der Freunde und Förderer sicherten die künstlerische Qualität und Vielfältigkeit des Festivals.

1994 wurde Helga Rabl-Stadler neu ins Direktorium berufen; sie folgte im Januar 1995 Heinrich Wiesmüller als Festspielpräsidentin und prägt als solche die Festspiele bis heute. 1996 verlängerten Mortier und Landesmann ihre Verträge bis zum Herbst 2001. Zum Ende der Dekade – die von den Jugoslawienkriegen und der Neuordnung der Welt nach dem Ende des Kalten Kriegs gekennzeichnet war – wurde wieder eine Findungskommission eingesetzt, um deren Nachfolge zu regeln.