Festspiel-Symposium
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Salzburger Festspiele 2020

Jedermann Symposium

Mit Hugo von Hofmannsthals Jedermann in der Regie von Max Reinhardt hat am 22. August 1920 alles begonnen. Die Salzburger Festspiele waren geboren. Seither steht das „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ – mit nur zweimaliger Unterbrechung in den Jahren 1922 bis 1925 und 1938 bis 1945 – alljährlich auf dem Programm und ist längst zum Kultstück und Markenzeichen der Festspiele geworden. Zur Freude des Publikums und zum Leidweisen der Kritik, deren Verrisse, Parodien und satirische Seitenhiebe ohne Wirkung blieben.

Was macht die ungebrochene Attraktivität dieses einer jahrhundertealten mittelalterlichen Moralität nachempfundenen Stücks aus? Wie gelingt es dem Dichter trotz altertümelnder Sprache die Probleme von heute drastisch vor Augen zu führen – die Gier, den Geiz, den Machtmissbrauch, den Mangel an Nächstenliebe, an Respekt für die anderen? Weshalb verlassen selbst Menschen, die längst die Frage nach dem „richtigen Leben“ aus ihren Gedanken gestrichen haben, betroffen, ja getroffen diesen Theaterabend?

Zum 100. Geburtstag beleuchtete das Festspiel-Symposium im Jubiläumsjahr 2020 an drei Vormittagen die erstaunliche Aktualität des Gründungsstücks der Salzburger Festspiele im 21. Jahrhundert.

Wir freuen uns sehr Ihnen die Symposien zum Nachhören hier zur Verfügung zu stellen.

Symposium 1

„Des Satans Fangnetz in der Welt / Hat keinen andern Nam als Geld“

„Immer mehr“ ist ganz offensichtlich zum einzigen Sinn in Jedermanns Luxusleben geworden. Immer mehr Geld, immer mehr Macht, immer mehr Lust. Ohne das geringste schlechte Gewissen lässt er die anderen jene Überlegenheit spüren, die ihm das Geld vermeintlich verleiht. Er prahlt mit seinem Reichtum. Er straft die Armen mit seinem Geiz. Er verweigert dem Schuldner die Barmherzigkeit. Verschwendung als Lebensmotto.
Getrieben ist er von seiner unersättlichen Gier. Woher kommt diese Gier nach gesellschaftlicher Anerkennung und weltlichem Besitz? Ist Gier eine Todsünde? Oder ist Gier der Motor unseres derzeitigen Wirtschaftsmodells? Ist die Gier gar eine genetische Anlage in uns allen? Oder gibt es individuelle und gesellschaftliche Parameter, die zu ändern jedem humanistisch denkenden Menschen ein Anliegen sein müsste? Auch jenseits der christlichen Moralvorstellungen tritt die Gier gerade in unserer Zeit stark als soziokulturelles Phänomen zu Tage.

Moderation: Michael Kerbler

Lisz Hirn, Philosophin und Publizistin
„Ist ein verflucht und zaubrisch Wesen“: Geld und der Sinn des Lebens

Christian Neuhäuser, Philosoph und Wirtschaftsethiker
Wieviel Reichtum ist gerecht

Andreas Treichl, Volkswirt und Banker

Symposium 2

„Ach Gott, wie graust mir vor dem Tod / Der Angstschweiß bricht mir aus vor Not“

Die Grundfrage im Jedermann lautet: Was passiert, wenn unvermittelt der Tod in das Leben tritt? Der Tod gehört zum Leben und doch ist er in unserer Kultur so sehr verdrängt wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Umso mehr trifft uns Hugo von Hofmannsthal ins Herz mit seinem barocken Memento mori – „Bedenke, dass Du sterben musst“.
Umso schockierender wirkt das Bild vom reichen Jedermann, der gleichsam nackt und einsam in die Angst vor dem Tod stürzt. Nur die allegorischen Gestalten „Werke“ und „Glaube“ retten ihn vor dem Griff des Teufels.
Wir wollen es nicht hören, aber der Tod gehört zum Leben. Vor allem der eigene Tod ist ein Tabuthema. Es könnte so hilfreich sein, sich der eigenen Endlichkeit bewusst zu sein. Denn das Gefühl etwas zu verpassen, ist die oft unbewusste Triebfeder eines rastlosen Lebens.
Wenn der Tod plötzlich ins Leben tritt, werden die Uhren noch einmal neu gestellt. Die Trauer, der Schmerz, das Endgültige verändern unsere Sichtweise.

Moderation: Michael Kerbler

Erich Lehner, Theologe und Psychoanalytiker
Sterben – Leben zwischen Angst und Mut

Walter Müller, Schriftsteller und Trauerredner
„Auf Erden schreitet so kein Mann“ oder: Wie ich (nicht) sterben möchte!

Johanna Adorján, Journalistin und Schriftstellerin
Was ich durch den Doppelselbstmord meiner Großeltern über den Tod gelernt habe

Symposium 3

„Ich bin bei dir, sieh doch auf mich / Dein bin ich heut und ewiglich“

Der selbstgerechte Jedermann ist ins Geld, ins Vergnügen und in die Lust vernarrt. Wahre Liebe, die Höhen und Tiefen, Glück und Unglück, Gesundheit und Krankheit übersteht, sucht und kennt er nicht. Seine Buhle macht ihn nicht blind vor Liebe, sondern blind vor Gier und Lust. Und seine Buhle? Ist sie nur in sein Prestige, sein Geld, sein Luxusleben verliebt? Verrät sie den Geliebten, wenn sie nicht bereit ist, ihn in den Tod zu begleiten?
Nichts bewegt uns Menschen so wie das Thema Liebe. Liebe und ihr Scheitern strukturieren das menschliche Zusammenleben und die Biografie des Einzelnen. Doch was ist Liebe überhaupt? Ein Gefühl, ein Trieb, eine Philosophie, eine Religion? Liebe ist ein Mysterium, um dessen Erklärung die menschliche Vernunft seit jeher ringt. Wie, wen und warum wir lieben, hängt ab von Herkunft und Konvention, Religion und Gesetz, Literatur und Kunst. Eben von der Gestalt, die wir der Welt verleihen – und die wir „Kultur“ nennen.

Moderation: Michael Kerbler

Teresa Präauer, Schriftstellerin und bildende Künstlerin
Über die Liebe

Erich Kirchler, Wirtschaftspsychologe und Entscheidungsforscher
Liebe in engen Beziehungen: Zur Buchführung von Geben und Nehmen

Hartmut Rosa, Soziologe und Politikwissenschaftler
Liebe als Lustquelle, als Kapitalstock und als Resonanzachse. Drei Formen der Weltbeziehung am Beispiel des „Jedermann“

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6. August 2020
Jedermann Symposium 1

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  • Jedermann Symposium 1
    6. August 2020.
  • Jedermann Symposium 2
    6. August 2020.
  • Jedermann Symposium 3
    6. August 2020.