Nachruf zum Tod von Friedrich Cerha
Nachruf zum Tod von Friedrich Cerha
„Friedrich Cerha hat vergleichslos viel für die neue Musik in Österreich getan, er hat das musikalische Leben in den letzten Jahrzehnten nachhaltig mitgeprägt und gestaltet. Seine Bedeutung als Komponist ist ganz und gar unbestritten. Als Ensemblegründer und Förderer des musikalischen Nachwuchses hat Friedrich Cerha Wesentliches geleistet, dafür ist ihm höchster Respekt und Dankbarkeit zu erweisen“, sagte Intendant Markus Hinterhäuser in einer ersten Stellungnahme.
1958 gründete er gemeinsam mit Kurt Schwertsik und seiner Frau Gertraud Cerha das Ensemble „die reihe“, mit dem er in den nächsten Jahrzehnten oftmals bei den Salzburger Festspielen zu Gast war.
1965 gab Friedrich Cerha sein Festspieldebüt als Dirigent und Geiger mit zwei Gedenkkonzerten zum 20. Todestag von Anton Webern.
Fünf Jahre später stand mit Spiegel I & IV erstmals eine seiner Kompositionen auf dem Spielplan der Festspiele und begeisterte Kritik und Publikum gleichermaßen.
Unvergessen, als ein Meilenstein in der Festspielgeschichte, bleibt die Uraufführung seiner Oper Baal 1981. Die Frage, wie weit der Einzelne Recht auf seine Persönlichkeit in der Gesellschaft hat, die Entscheidung zwischen Anpassung und Verweigerung, die Unmöglichkeit des Auslebens eines vitalen Glücksverlangens in einer zunehmend verwalteten Welt – das alles ist heute aktueller denn je. Baal wurde zu einem Triumph für Friedrich Cerha und zu einer Initialzündung für die Hinwendung der Festspiele zur neuen Oper. „So kann man heute noch Oper machen!“ titelte das „Neue Volksblatt“. Und Hans Heinz Stuckenschmidt lobte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ den „Eindruck einer unablässig strömenden Erfindungskraft […] während der mehr als zweistündigen Dauer des Stücks. In Verbindung mit so umfassender Satztechnik muss man Cerha eine Meisterschaft attestieren, die ihresgleichen in der heutigen Musik kaum hat.“
1996 widmete ihm Hans Landesmann zum 70. Geburtstag mit dem Projekt F. Cerha einen sieben Abende umfassenden Konzertzyklus. Besonders die komplette Aufführung von Spiegel I-VII unter der musikalischen Leitung des Komponisten in der Felsenreitschule geriet zu einem denkwürdigen Festspielereignis – eine Verhandlung von Existenz und ein Nachdenken über die Welt.
2016 widmeten ihm die Festspiele einen weiteren Zyklus in der Reihe Salzburg contemporary und brachten Eine blassblaue Vision {2013/14} als Auftragswerk der Festspiele zur Uraufführung. Knapp zwanzig Minuten Eintauchen in einen faszinierenden Kosmos voller struktureller Perfektion und dennoch unbändiger Leidenschaft.
„Ich war immer ein neugieriger Mensch und habe stets meine Arbeit reflektiert“, hat Friedrich Cerha in einem Gespräch zu seinem 90. Geburtstag zu Protokoll gegeben. „Wenn eine Komposition fertig war, wollte ich mir bewusst machen, was in dem Werk eigentlich vor sich gegangen ist. Das hat mich auch für neue Einflüsse offen gemacht.“ Und: „Ich habe nie für Heilserwartungen oder Menschheitsbeglückungen gearbeitet. Ich habe Musik gemacht, so wie ich atme.“
Diese Neugierde, diese Offenheit und diese Ablehnung aller unreflektierten Dogmen war der Schlüssel zur ungebrochenen Aktualität seiner Musik.
Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie, vor allem seiner Frau Gertraud.