Donata Wenders, Studie III, Berlin, 2017, Photogravure © Donata Wenders

„Vor dem Totenbett der Zeit stehe ich …“

Karl Kraus’ monumentales Drama Die letzten Tage der Menschheit ist eine scharfsinnige und bittere Abrechnung mit den Schrecken des Ersten Weltkriegs. Zwischen 1915 und 1922 verfasst, stellt Kraus in den über 200 Szenen die Abgründe des Krieges in all ihrer grotesken und gleichermaßen unerträglichen Absurdität dar: von der zynischen Verblendung der Politik über die Desinformation durch die Presse bis hin zur dumpfen Gleichgültigkeit der Bevölkerung. Kraus deckt schonungslos auf, wie die Verflechtung von Machtinteressen und Kriegspropaganda, zusammen mit einer Gesellschaft, die bereitwillig den Lügen glaubt, den Wahnsinn des Krieges überhaupt ermöglicht. Im Vorwort betont er: „Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate.“ Kraus schöpft aus dokumentierten Begebenheiten und aufgeschnappten Dialogen, was sein Publikum zu Zeug·innen einer Welt macht, die sich sehenden Auges in den Krieg stürzt. Kraus selbst hat Die letzten Tage der Menschheit zunächst als Lesestück gedacht und es erst 1928 für die Bühne freigegeben. Als „Marstheater“ sei es geschrieben, denn keine irdische Bühne könne dieses Pandämonium je vollständig aufführen, heißt es im Vorwort.

Dušan David Pařízek ist für seine kraftvollen, atmosphärischen Regiearbeiten bekannt und wurde für seine Tätigkeit als Autor, Regisseur und Bühnenbildner vielfach ausgezeichnet. Seine Inszenierung für die diesjährigen Salzburger Festspiele wird die verstörende Aktualität von Kraus’ Fragen freilegen. Was macht Menschen empfänglich für Desinformation, Populismus und Propaganda? Woher rühren die Verblendung und der Glaube an die Unabdingbarkeit von Gewalt? Welche Gesellschaft überlässt das Denken und Handeln lieber anderen? Pařízek setzt sich mit degenerativen Phänomenen und Erscheinungen der Gegenwart auseinander: dem Ende einer zivilisatorischen Epoche, die ihren prägenden Ausdruck im selbstzerstörerischen Streben nach Macht, in der Verherrlichung „gerechter“ Kriege und in der emotionalen wie ethischen Haltlosigkeit findet. Eine bedrückende Welt, in der offenbar wird, dass wir in Anbetracht der heutigen Krisenherde und des in Europa wiedererstarkenden Nationalismus alle Verantwortung tragen, dass Kraus’ Anklage alle betrifft, Mitläufer·innen ebenso wie Machthabende. Eine düstere Vision wie eine unheilvolle Warnung aus der Vergangenheit. Sie stellt die Frage nach der moralischen Verantwortung eines jeden Einzelnen in einer Gegenwart, die akut von Populismus, Desinformation und Kriegstreiber·innen geprägt ist.

Die letzten Tage der Menschheit ist weit mehr als eine Anklage gegen den Krieg: Es ist eine schmerzhafte Analyse der menschlichen Natur. Kraus fordert uns auf, über die Mechanismen von Gewalt, Macht und Propaganda nachzudenken, die auch in unserer Zeit drohen, den Wahnsinn zu entfachen. Ein eindringlicher Blick in den Abgrund, der die Menschheit in all ihrer Zerstörungswut und ihrer Tragik zeigt.

Lena Wontorra

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16. Januar 2025
Die letzten Tage der Menschheit · Programmpräsentation Markus Hinterhäuser
In deutscher Sprache mit englischen Übertiteln

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