Joseph Beuys Salzburger Festspiele Ouverture spirituelle Zeit mit Enescu
Joseph Beuys, ________ ? 1960 · Montage Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx © Bildrecht, Wien, 2018 · Mit freundlicher Genehmigung des Nachlass Joseph Beuys
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Zeit mit ENESCU

„Ich wurde geboren wie eine Gestalt aus einer Tragödie: unter dramatischen Umständen und von dunklen Vorahnungen begleitet“, befand George Enescu. Er kam 1881 als das achte Kind seiner Eltern in Rumänien zur Welt — und war zugleich das einzige überlebende. Aus Sorge wurde er „wie ein in Watte gepacktes Küken behandelt“ und von Gleichaltrigen ferngehalten. So blieb nur die Musik als Ventil für das reiche Innenleben des scheuen Kindes: Die Gesänge und Tänze der Roma faszinierten den Dreijährigen dermaßen, dass er sich eine Spielzeuggeige bastelte; mit vier konnte er auf einer richtigen Violine das Gehörte nachspielen. Mit sieben wurde Enescu zum Studium nach Wien geschickt, wo er die Atmosphäre der Musikstadt begierig in sich aufsog. Johannes Brahms wurde sein erster musikalischer Held — und blieb es auch noch, nachdem Richard Wagners Musik sein Denken verändert hatte. Mit 14 ging Enescu nach Paris, wo er als Kommilitone unter anderem von Maurice Ravel Komposition studierte.

Aus dem Wunderkind wurde ein umfassender Musiker, der als Dirigent, Violinvirtuose, Lehrer, Musikologe und Organisator zwischen den USA und Rumänien reüssierte. „Die Liebe zu seinem Heimatland verband ihn mit einer heidnischen Vergangenheit, mit Menschen, die ihren Ursprung in der antiken Weisheit hatten“, erinnerte sich Yehudi Menuhin, einer seiner Schüler: „Enescu war neben Bartók der größte Musiker, den ich jemals gekannt habe.“ Zum Komponieren blieb Enescu wenig Zeit, zumal er höchst selbstkritisch und bescheiden war. Dabei wirkt seine Musik heute, sechs Jahrzehnte nach seinem Tod 1955 in Paris, eindringlicher denn je: Neben seinem Magnum Opus Œdipe fasziniert auch sein übriges Schaffen, das von einem farbenfrohen, mitreißenden Folklorismus bis zu geistvollen Amalgamen jener widerstreitenden Kräfte reicht, die zwischen Spätromantik und Moderne walten. In seinem Überschreiten der Grenzen von Epochen, Welten und Stilen lässt sich George Enescu als einer der originellsten Komponisten seiner Zeit neu entdecken.

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