Andy Warhol, Portrait of a Woman, Two Hands, c. 1955, collage, ink and graphite on paper (39.1 x 45.3 cm) Courtesy & © Photo: Daniel Blau, Salzburg, 2025 © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Bildrecht Wien, 2025
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„Du bist der Herr über ein dunkles Schiff, das fährt den dunklen Pfad.“

Der reichste Mann von Wien ist niemand zum Gernhaben. Jedenfalls wenn man dem Bild traut, das sein Personal von ihm vermittelt. Herrisch und rücksichtslos schmeißt er aus der Ferne das musikalische Programm einer „großen Assemblee“ in seinem Stadtpalais um, während backstage schon die Vorbereitungen für die Aufführung in vollem Gange sind. Gekränkte Künstlerehre ist ihm zu egal, um sich überhaupt damit zu befassen. Die Opera seria Ariadne auf Naxos, die ein hoffnungsvoller Nachwuchskomponist extra für den Anlass komponiert hat, zählt für ihn lediglich zu den „Verdauung fördernden Genüssen“ wie Feuerwerk und Tanz. Am besten hält man sie kurz – oder noch besser, mischt sie mit einer Opera buffa, damit es nicht fad wird.

Dieses ätzende Porträt eines kulturlosen Superreichen, der nur durch seine arroganten Lakaien in Erscheinung tritt, erinnert nicht zufällig an die High Snobiety, die Molière in seinen Komödien dem Spott preisgab. Die erste Fassung der Oper Ariadne auf Naxos hatten Richard Strauss und sein Textautor Hugo von Hofmannsthal als Teil ihrer Adaption von Molières Der Bürger als Edelmann entwickelt. Diese am 25. Oktober 1912 im Kleinen Haus des Stuttgarter Hoftheaters uraufgeführte Kreuzung von Sprech- und Musiktheater fiel beim Premierenpublikum ziemlich durch.

Hofmannsthal und Strauss packte der Misserfolg bei eben der Künstlerehre. Also ersetzten sie Molières Komödie durch ein operettenhaftes „Vorspiel“ mit nur noch einer Sprechrolle, behielten den ironischen Ton und den gezierten Inhalt aber bei, als sie die Komplikationen um das musikalische Bankett im Haus des Steinreichen neu dichteten und komponierten und vier Jahre später in der Wiener Hofoper herausbrachten.

Das hysterisch grundierte Vorspiel, in dem überreizte Künstlerfiguren, Volkstheater-Erotik und Wiener Schmäh ein hohes komödiantisches Tempo erzeugen, übertrug Strauss in einen beschwingten, heiteren Parlando-Stil. Die festliche „Opernaufführung“, die den antiken Ariadne-Stoff mit der fiktiven Komödie Die ungetreue Zerbinetta und ihre vier Liebhaber verbindet, folgt dagegen einem eher klassischen Kompositionsansatz, in dem die siegreiche Hochkultur mit vielen Verweisen in die Musikgeschichte gefeiert wird.

Um diese Parodie auf die großbürgerlichen Blender der Wiener Ringstraße in die Gegenwart zu versetzen, begibt sich Regisseur Ersan Mondtag, der mit dieser Inszenierung sein Salzburger Festspieldebüt gibt, in die Milchstraße. Denn die reichsten Kulturlosen unserer Zeit wollen ihre Bankette am liebsten auf dem Mars feiern, wohin ihnen nur die Exklusivsten der Exklusiven folgen können. Und wo die Künstlerinnen und Künstler wiederum weit unter dem letzten Hausbediensteten rangieren, als freischaffende Klang-Konditoren für den musikalischen Nachtisch.

Auf diesem Wüstenplanet ist die „wüste Insel“ Naxos, auf der im zweiten Teil des Werks die Begegnung von Ariadne und Bacchus stattfindet, dann eine stille Metapher moderner Rücksichtslosigkeit. Männer, die sich alles leisten können, verwüsten erst mit ihren gierigen Geschäften die angestammte Heimat, so wie die Griechen ihre grünen Inseln für den Bau von Kriegsschiffen abgeholzt haben, um Troja zu plündern. Danach entfernen die „Sieger“ sich mit ihrem Raubgut in Gegenden, die nur sie erreichen und bewohnen können, wie Bacchus, der Ariadne auf seine Passage in den Olymp mitnimmt.

Von Wüste zu Wüste ist es für die egomanischen Helden der Geldvermehrung also nur ein Katzensprung. Und ihr modernes Leitbild für die Flucht in den Weltraum ist tatsächlich fest verbunden mit dem Ariadne-Mythos. Der eigentliche Retter der kretischen Königstochter, der Erfinder des Ariadne-Fadens, war Dädalus, der erste fliegende Mensch und Schutzheilige der Raumfahrt. Ariadne selbst wird nach dem Tod von ihrem göttlichen Gatten Bacchus als Sternbild am Firmament verewigt. Dort werden bald auch die luftdichten Paläste der kapitalistischen Götter stehen. In ihren kostspieligen Sandburgen kann sich dann die Farce wiederholen, die Strauss und Hofmannsthal über die Wiener Bourgeoisie geschaffen haben. Das Feuerwerk am Ende mag allerdings ein anderes sein.

Till Briegleb

 

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