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„Gib mir meinen Liebsten zurück, oder lass mich wenigstens sterben.“

Turbulente Komödie mit erotischen Verwicklungen — was bereits zu Mozarts Zeiten kein harmloses Lustspiel war, ruft heute Erfahrungen patriarchalischer Abhängigkeit und sexueller Ausbeutung hervor. Die dargestellte Welt befördert Betrug und kriminelles Handeln, sie hinterlässt Menschen mit Gefühlen der Leere, Todessehnsucht und Ausweglosigkeit. Zwei Angestellte möchten heiraten, doch ihr Vorgesetzter versucht mehr oder weniger geschickt, sie davon abzuhalten. Aus eigenem Interesse: Der Graf selbst hat ein Auge auf Susanna geworfen, was er als verheirateter Mann natürlich nur im Verborgenen zeigen kann. Die Liebe zu seiner eigenen Frau scheint erkaltet, dabei hat er sie selbst vor nicht allzu langer Zeit aus den Fängen ihres Vormunds entführt. Geholfen hat ihm dabei der schlaue Figaro, den er zum Dank nun bei sich beschäftigt. Doch kaum hat die abenteuerliche Eroberung stattgefunden, findet sich die Gattin vernachlässigt in ihrem Alleinsein wieder und sehnt entweder die Liebe ihres Mannes zurück oder den eigenen Tod herbei. Es bedarf erneut jeder Menge List und Intrigen, diesmal um den Grafen in seinem sexualisierten Machtanspruch vorzuführen und die Voraussetzungen für die Hochzeit von Figaro und Susanna zu schaffen. Dieses Ziel gerät dabei immer weiter aus dem Blick, stattdessen werden die einzelnen Menschen mit ihren unerfüllten Sehnsüchten, verworfenen Moralvorstellungen und gefühlter Einsamkeit konfrontiert.
Mit Le nozze di Figaro schrieben Lorenzo Da Ponte und Wolfgang Amadeus Mozart 1786 die erste ihrer drei gemeinsam geschaffenen Opern über Versuche von zwischenmenschlichen Beziehungen. Sie beruht auf einem zur Entstehungszeit verbotenen Theaterstück: Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais’ La Folle Journée ou Le Mariage de Figaro war wegen der offen ausgesprochenen Kritik an aristokratischen Privilegien dem französischen König und dem österreichischen Kaiser ein Dorn im Auge. Mozart gelangte jedoch an eine anonym verfasste deutsche Übersetzung und schlug Da Ponte den Stoff für ihre Zusammenarbeit vor, ohne dass es zunächst einen Auftrag für die Oper gegeben hatte.
Um der Zensur standzuhalten, verbarg Mozart den politischen Sprengstoff in der Musik: Der Diener Figaro eignet sich das höfische Menuett für seinen Kampf gegen den Grafen an, zu dessen Tanz er nun den Ton angeben wird. Die von ihm entfachte Aufregung treibt die Fantasie der Gräfin und Susannas umso mehr an, sich mit eigenen Intrigen an Figaros Spielchen zu beteiligen. Es sind die Frauen, die die Verwirrungen im nächtlichen Garten anstiften. Die Männer tappen zielstrebig in die Fallen. Das finale Flehen des Grafen um Verzeihung mag eine zuvor gültige Ordnung wieder herstellen, doch die anderen Charaktere bleiben beschädigt zurück. Zwischen sämtlichen Figuren agiert Cherubino, den Mozart einer Sängerin überantwortet, um in mehreren Verkleidungsaktionen die sexuellen Zwischentöne in den Vordergrund holen zu können. Ins Absurde gesteigerte Ensembleszenen stehen tiefen Bekenntnissen menschlicher Gefühle gegenüber. Beide Arien der Gräfin sind vom Tod durchdrungen — im Tonfall ihrer zweiten Arie knüpfte der Komponist an das Agnus Dei seiner Krönungsmesse an. Sei es der sich aufplusternde Bartolo oder der wütende Graf: Die gekränkte männliche Eitelkeit gefährdet alle Anwesenden. Der jungen Barbarina behält Mozart die einzige Arie in einer Molltonart vor, nachdem sie kurz zuvor beiläufig offenbart hat, dass der Graf sich schon oft an ihr vergangen habe.

Seine radikale Auseinandersetzung mit Mozarts Opern bei den Salzburger Festspielen setzt der Regisseur Martin Kušej nach Don Giovanni 2002 und La clemenza di Tito 2003 nun mit Le nozze di Figaro fort. Der französische Dirigent und Experte für historisch informierte Aufführungspraxis Raphaël Pichon leitet nach seinem Festspieldebüt 2018 seine erste Salzburger Opernproduktion.

Olaf A. Schmitt

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