Andy Warhol, Seated Man, c. 1952, collage, ink and graphite on paper (27.7 x 23.5 cm) Courtesy & © Photo: Daniel Blau, Salzburg, 2025 © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Bildrecht Wien, 2025
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„Du bist dir nur des einen Triebs bewusst;  O lerne nie den andern kennen!“

Seit dem 16. Jahrhundert gehört die Erzählung des Doktor Faust, der seine Seele dem Teufel verschreibt, zum Kernrepertoire der europäischen Literatur. In den frühneuzeitlichen Deutungen erscheint der Stoff als moraltheologische Belehrung – Faust wird zum warnenden Exempel menschlicher Hybris. Sein Pakt mit dem Teufel ist eine ausdrückliche Absage an Gott und die himmlischen Mächte, die – so heißt es im Volksbuch – „vom jhme gewiechen“ seien. Sein Weg führt ihn folgerichtig in Hölle und Verdammnis.

Am Ende des 18. Jahrhunderts erfährt der Stoff durch Johann Wolfgang von Goethe eine radikale Transformation. Seine Arbeit am Faust-Projekt umfasst einen Zeitraum von etwa 60 Jahren: Die dichterische Arbeit beginnt um 1772 und endet, immer wieder unterbrochen, im Jahr 1831. Das vollständige Werk wird wenige Monate nach seinem Tod 1832 veröffentlicht.

Goethe katapultiert den Faust-Stoff in die Höhe der Weltliteratur – in engste Nachbarschaft zu Homer, Shakespeare oder Dante –, semantisch überdeterminiert, ausufernd, unausdeutbar. Er entwirft einen Reflexionsraum, der den Blick weit ins 19. Jahrhundert bis in die Moderne hinein öffnet. Aus Faust, dem verdammten Ketzer der frühen Neuzeit, wird bei Goethe ein verzweifelt Suchender: „Allein ich will!“, lautet seine Parole. Mit seinem rastlos drängenden Trieb, der jede Grenze missachtet, wird Faust zum Prototyp des modernen Menschen.

Soweit die Ausgangssituation: Ein gewaltiger europäischer Weltentwurf wartet darauf, immer wieder neu ausbalanciert und für die Gegenwart interpretiert zu werden. Goethes Faust ist wie eine offene Stadt, in die viele Wege hineinführen. Das Stück ist lesbar als die äußere Erzählung eines Individuums, des Gelehrten Faust, der voller Ekel und Leere seine Existenz negiert und einen neuen Anfang sucht. Die berühmte „Zueignung“ beschreibt genau diese Situation: Ein Mensch blickt zurück und ruft noch einmal etwas herbei – „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, / Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. / Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten?“

Fausts berühmtes Diktum der „zwei Seelen, ach, in meiner Brust“ öffnet den Blick ins Innere. Der Schauplatz wird gewechselt und das äußere Drama gerät zum Seelenpanorama, in dem die handelnden Personen zu widerstreitenden Kräften eines zerrissenen Bewusstseins werden – Personifikationen innerer Kräfte, die einen psychischen Innenraum bespielen. Die Bühne beschreibt so gesehen keinen realistischen Ort, sondern einen Zustand. Die Figuren sind Manifestationen innerer Anteile, die gegen- und miteinander ringen. Mephisto ist keine ausgelagerte Wesenheit, sondern eine Schattenfigur des Faust selbst: seine dunkle, verachtete, verdrängte Seite. Er ist der destruktive Pol, der Faust verführt und antreibt. Mit ihm macht sich Faust auf eine Initiationsreise durch die Welt, die ihn durch die Abgründe des eigenen Bewusstseins führt – durch Lust und Verantwortung, Schöpfung und Zerstörung. Der junge Faust ist jener Teil des Wesens, in dem das Leben pulsiert, der nach Erfahrung, Berührung, Gegenwart drängt – etwas, das der alte Faust in seiner monströsen Erkenntnisgier verloren hat. Gretchen ist dessen weiblicher Anteil, der Moral, Verletzlichkeit, Unschuld und Liebe verkörpert. Sie spiegelt ihm seine eigene Unzulänglichkeit und Leere, seinen Mangel an Empathie und Hingabe. In ihrem Blick erkennt er das, was er aus sich verbannt hat und nun, unerträglich nah, vor ihm steht. Darum muss er sie zerstören.

Goethe selbst bekannte sich zu seiner „nordischen Barbarey“, die jenseits der klassizistischen Humanität liegt. Die in Faust wirkenden Energien sind unauflöslich ineinander verkeilt und schleppen sich durch die wüste, entleerte Welt der Moderne – als „sehnsuchtsvolle Hungerleider nach dem Unerreichlichen“, wie es in Faust II heißt.

Yvonne Gebauer

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