Martha Jungwirth, Ohne Titel, 2008
Aquarell auf Papier (Kontobuchseite), 27 x 22,5 cm
Foto: Studio Weber, Klaus-Dieter Weber (Ressler Kunst Auktionen GmbH)
© Martha Jungwirth/Bildrecht, Wien 2023
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„Wer ich bin, wirst du nie erfahren.“

Sich Don Giovanni anzunähern, bedeutet für Romeo Castellucci, sich der Mehrdeutigkeit und Komplexität sowie dem inneren Ungleichgewicht zu stellen, die Mozart dem Protagonisten seiner Oper verleiht. Vitalität und Zerstörung: In dieser Ambivalenz sieht Castellucci eine Faszination der Figur. Don Giovanni denkt nicht, sondern handelt in großer Eile, ohne Atem zu holen. Er stürmt dahin und bringt Zerstörung, während er den Menschen, die auf ihn Jagd machen, beständig entgeht. In seinem pausenlosen Lauf schafft er jedoch gleichzeitig auch Raum, bringt Zeit hervor und erzeugt Leben. Man könnte sagen, dass sein Todesschicksal das Ergebnis eines Übermaßes an Leben ist.

Der alte Mythos von Don Juan, in den Legenden ebenso eingingen wie fromme Lehrfabeln, erfuhr seit Beginn des 18. Jahrhunderts eine Unzahl von Neuinterpretationen. Da Ponte und Mozart entwickelten ihn differenziert weiter und schufen ein Werk, in dem Tragödie und Komödie Seite an Seite existieren. Im Gewebe der Musik ist vom ersten Takt an ein Todestrieb spürbar, der auf die finale Katastrophe hindeutet. Und wenn das Stück spielerisch – „giocoso“ – wird, haben wir es mit einem sehr ernsten Spiel zu tun. Mozarts Musik birgt auch dort, wo ihr Atem leicht ist, Kavernen, die sich auftun, um die tiefsten Sehnsüchte des Menschen zu enthüllen.

Don Giovanni kennt weder Reue noch Schuldgefühle: Um seine Wünsche zu befriedigen, greift er das Gesetz an, diskreditiert es und hebt es auf. Es ist kein Zufall, dass seine erste Tat in der Oper die Tötung eines Vaters – des Vaters – ist. Der Komtur verkörpert das Gesetz des Vaters, und wie alle ermordeten Väter in den Dramen der westlichen Literatur kehrt er als Geist zurück – er ist überall spürbar.

In Castelluccis Inszenierung wird ein demontierter und entleerter – ein entweihter – Kirchenraum zum Hauptquartier Don Giovannis. Eine neutrale Architektur wird von Mal zu Mal mit Bedeutung aufgeladen, durch eine präzise Dramaturgie aus angemessenen und unangemessenen Objekten, die herabfallen, die auftauchen und sich auflösen, die einen Gleichgewichtspunkt suchen. Es ist, als würden wir dem Spiel eines Kindes beiwohnen, das bestrebt ist, sein Spielzeug zu zerstören. In diesem Sinn ist Don Giovanni eine pantoklastische – „allzerstörerische“ – Figur, eben ein Kind, das seiner Frustration darüber Luft macht, dass es das begehrte Objekt nicht erlangen kann.

Die drei Frauen der Oper stehen für drei verschiedene Gefühlsuniversen. Donna Anna ist von edler Herkunft und verkörpert das schwer zu erreichende höchste Objekt des Begehrens. Ihre Sprache und ihr Schmerz werden in ihrer Gestik greifbar – der Gestik einer tragischen Heldin. Donna Elvira ist eine Figur, deren Stimme Verwirrung und Aufgewühltheit verrät. Sie repräsentiert die Familie, das Gefüge der Gesellschaft. Don Giovanni empfindet Schauder, als er ihr zum zweiten Mal begegnet. Der Gedanke, er könnte herausfinden, dass er Vater ist, jagt ihm Schrecken ein. Die Liebe ist in seinem Fall etwas, das zerteilt, spaltet, abschneidet, tötet – nicht hervorbringt. Und dann haben wir die Bäuerin Zerlina, den Körper als Objekt des Begehrens par excellence, ein Gegenstand, der für Don Giovanni nur da ist, um besessen zu werden. Er geht davon aus, dass sie ihm mit Fug und Recht zusteht, sogar an ihrem Hochzeitstag.

Don Giovanni ist unfähig, die Frauen in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit wahrzunehmen, weil ihn sein Narzissmus blind macht. Für den zweiten Akt hat Castellucci eine große Anzahl von Frauen, die in Salzburg leben, eingeladen, die Bühne des Großen Festspielhauses zu besetzen. Die Frauen kommen, um sich den eigenen Körper, eine Präsenz, eine Biografie zurückzuholen. Die entsetzliche Liste von Leporellos Register verwandelt sich in ein Element aus Fleisch und Blut, das berührt und bewegt. Die Choreografin Cindy Van Acker hat mit den Frauen Bewegungsbahnen durch den Raum, Dynamiken der Interaktion, Formen von Gegenseitigkeit und Verbundenheit konzipiert. Die Anwesenheit der Frauen macht sichtbar, wie das Feld des Begehrens allmählich eine absorbierende, einverleibende Kraft entwickelt. Das polare Schema von Don Giovanni als Jäger und den Frauen als Gejagten wird umgekehrt.

Nach einem Gespräch zwischen Romeo Castellucci und Piersandra Di Matteo
Übersetzung aus dem Italienischen: Christian Arseni

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