Martha Jungwirth, Boot, aus der Serie Bali, 1995
Aquarell auf Papier (Kontobuchseiten), 91,2 x 61,3 cm
Courtesy Martha Jungwirth, Foto: Lisa Rastl
© Martha Jungwirth/Bildrecht, Wien 2023
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„Fortan siege stets unser Bemühen für das Gute.“

Menschen verletzen Menschen, Völker Völker. Gewalt erzeugt Gewalt. Bomben Bomben. Der natürliche Reflex scheint zu sein: Vergeltung, Strafe, Rache, sogar Vernichtung, bis an die Grenze zur Selbstauslöschung der Art.

Da, wo die klassische Orestie beginnt, liegt schon über Generationen ein Schlachtfeld des Grauens hinter den Protagonisten. Mit der dreiteiligen Orestie des Aischylos beginnt die europäische Theatergeschichte. Sie erzählt in einer Zeit, wo die attische Demokratie stabil wirkt, deren Vorgeschichte, den Gründungsmythos („was bisher geschah“). Das Theater erinnert daran, wie in mythischer Vorzeit heillos sich gegenseitig mordende Clans von Göttern und Menschen wüten, wie Gewalt nicht eindämmbar ist – weder nach innen noch nach außen. Die Welt ist ein Schlachtfeld des Grauens, lokale Nachbarn werden in zehnjährigen Kriegen vernichtet. Töchter werden geopfert, um die eigene Karriere in Staat und Militär zu befördern, eine Mutter rächt sich und tötet den Kindsmörder und Ehegatten, ein vaterloser Sohn und Bruder der Tochter begeht Muttermord. Und natürlich soll auch dieser Sohn sterben. – Aischylos erinnert an diese Vorgeschichte, um am Schluss umso wirkungsvoller von ihrer Auflösung in einem „Happy End“ zu erzählen. Seine Konstruktion: Ausgerechnet der Muttermörder Orest darf weiterleben! Möglich wird dies bei Aischylos dank eines demokratischen Prozesses mit verbindlichen Abstimmungen und einem daraus folgenden göttlich begleiteten Urteil, das klugerweise auch die Verlierer versöhnend in die neue Harmonie einbindet. In Blut gebadet will man tatsächlich Frieden. Fortan sind andere Mechanismen der Konfliktlösung möglich; Gewalt ist tabuisiert. Aischylos erzählt, dass die friedensstiftende Sprache der Vernunft gegen die des Blutes siegt, Politik gegen Rache, die soziale Kraft des Chors gegen archaische Gesetze. Das ist eine Geschichte, die uns gefällt. Die wir gern hören.

Aber die Harmonie hat nicht lange Bestand. Schon bei Sophokles sind die Regeln und Gesetze, die die Welt beherrschen, undurchschaubar, es gibt in ihr keinen Konsens mehr, das Individuum ist auf sich selbst zurückgeworfen. Mit Euripides verschafft sich eine weitere Generation Gehör, eine Generation moderner Skeptiker und Zweifler. Ihr ist der Optimismus von Aischylos ebenso fremd wie der Stoizismus von Sophokles. 50 Jahre liegen zwischen Aischylos und Euripides – 50 Jahre geschichtliche Erfahrung, mit Kriegen, Seuchen, Plünderungen und Hungersnöten: Die Kraft zur Wahrung der Demokratie nimmt rapide ab. Euripides schreibt die Orestie, und insbesondere deren Schluss, um. Sein Orest ist ein Tabubruch, ja ein Skandal: Der Prozess gegen Orest, wie ihn der jüngere Euripides aufschreibt, ist voller Demagogie, Lüge, Tricks, Egomanie, Manipulation. Demokratie, Läuterung oder gar göttliche Weisheit gibt es hier nur noch als grelle Parodie. Der Himmel ist leer, übrig bleibt die Bestie Mensch. Ein Akt der Überschreibung, ein re-writing aus Zweifel, aus Kontingenz vielleicht, jedenfalls ohne erbauliche Alternative.

Aischylos, Sophokles und Euripides erzählen in je unterschiedlicher Tonalität von Menschsein, Gewalt und Politik. An einer Stelle sagt Menelaos: „Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit.“ Was meint er damit? Die Einsicht, dass Gewalt unvermeidbar ist, weil sie zum Menschen dazugehört? Oder die Einsicht in die Notwendigkeit, Gewalt zu vermeiden? Und: wie?

 

Nicolas Stemanns Neufassung dieser antiken Stücke entsteht vor dem Hintergrund einer Gegenwart, in der Demokratie immer mehr infrage gestellt und – ähnlich wie Pazifismus – wie ein Auslaufmodell gehandelt wird. Es ist seine dritte Arbeit bei den Salzburger Festspielen nach dem viel beachteten Faust-Marathon (2011) und der Inszenierung von Schillers Die Räuber (2009).

Joachim Lux

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21. Januar 2024
Die Orestie · Programmpräsentation Markus Hinterhäuser

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