Andy Warhol, Knives, 1981—82, synthetic polymer and silkscreen on canvas (51 x 40.5 cm; PA 95.034) © Photo: Jablonka-Galerie, Köln; Rafael und Teresa Jablonka Foundation © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Bildrecht Wien, 2025
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„Mein Geheimnis hüte ich, und ich hüte es gut.“

„Wer weiß, welchem Dämon ich beinahe zum Opfer fiel!“ Ein Kuss von seiner Mutter, überbracht von der jungen Micaëla, und die Erinnerung an das heimatliche Dorf haben Don José gerade noch gerettet. Der „Dämon“, auf den er anspielt, ist jene Frau, die ihm kurz zuvor herausfordernd eine Blume zugeworfen hat: nicht einem der vielen Männer, die sie begierig erwartet hatten, sondern ihm, einem unbekannten Offizier, der sie als einziger nicht beachtete. José spürt sofort die Macht, die Carmen auf ihn ausübt. Er wird ihr mit jeder Faser verfallen, zum Deserteur und Kriminellen werden, um ihr nah zu sein. Und als sie sich von ihm abwendet und ein Verhältnis mit dem Stierkämpfer Escamillo eingeht, wird er sie töten.

Carmens Faszination ist eng verflochten mit ihrer Unkontrollierbarkeit. Diese zeigt sich am offensichtlichsten in ihrem Anspruch, ihre Partner nach freiem Willen zu wählen und wieder zu verlassen: Liebe kann genossen, aber weder erzwungen noch festgehalten werden. Für José hingegen verlangt Liebe nach Dauer, ist besitzergreifend und eifersüchtig: Wer sie ihm entzieht oder streitig macht, demütigt sein Ego, provoziert Gewalt. Der bürgerlichen Moral des 19. Jahrhunderts (und darüber hinaus) erschien Carmens offensiv zur Schau getragene sexuelle Unabhängigkeit als anstößig, ja skandalös. Dem Publikum der Pariser Opéra-Comique, wo sie 1875 erstmals die Bühne betrat, war diese Protagonistin nur zumutbar, weil sie als „Zigeunerin“ und soziale Außenseiterin auf radikale Andersartigkeit fixiert wurde. Das machte sie nur noch gefährlicher: Sie erhielt das Potenzial, verführerische und beunruhigende Gegenbilder zu schaffen – zu Lebensmodellen, zu Konventionen und Zwängen.

Als José – im Rang degradiert, weil er sie vor dem Gefängnis bewahrt hat – Carmen im zweiten Akt von Bizets Oper aufsucht, um die versprochene Belohnung zu erhalten, stürzt sie ihn in ein neues Dilemma. Würde er sie wirklich lieben, sagt sie, würde er nicht mehr auf den Ruf der Kaserne hören; nein, er würde ihr folgen und sich mit ihr „dort in den Bergen“ jener „berauschenden Sache“ namens „Freiheit“ hingeben. Carmen öffnet Perspektiven, die vertraute Koordinaten ins Wanken bringen – sei es die Sehnsucht nach Sicherheit und Status, den Vorrang der Zukunft vor dem Jetzt, den Glauben an eine hierarchische Gesellschaft oder das Bedürfnis nach klaren Grenzen und eindeutigen Identitäten.

In der literarischen Vorlage der Oper, Prosper Mérimées Novelle Carmen, ist José selbst der Erzähler seiner Geschichte. Auf der Bühne erhielt Carmen notwendigerweise eine eigene Stimme. Dennoch gibt sie kaum etwas von ihrem Innenleben preis. Während Bizet der Musik Josés die Qualität leidenschaftlichen, zunehmend aggressiven Gefühlsausdrucks verlieh, integrierte er in die Musik Carmens spanische und „Zigeuner“-Idiome ebenso wie Populärmusik. Doch wo spielt Carmen mit Rollen, wo ist sie sie selbst? Sie wechselt rapide zwischen Zugänglichkeit und Verweigerung, ist wie Licht, das sich nicht fassen lässt.

Die Regisseurin und Choreografin Gabriela Carrizo macht sich auf die Suche nach der Identität und den Motiven dieser zum Mythos gewordenen Frau und nimmt in ihrer Inszenierung Carmens Perspektive ebenso in den Fokus wie diejenige Josés. Wie in den Arbeiten für ihre Tanztheater-Kompanie Peeping Tom, die von intensiver Körperlichkeit geprägt, bedeutungsreich und poetisch sind, zoomt sie dabei tief in die Psyche und das Unbewusste der Figuren hinein. Über die Darstellung einer fatalen Zweierbeziehung hinaus geht es Carrizo darum, spürbar zu machen, welchen Anteil das Umfeld an der Dynamik der Geschichte und deren tragischem Ausgang hat. Welche Rolle spielen familiäre Bindungen, vor allem Josés Verhältnis zu seiner Mutter, oder die bei Mérimée nicht vorkommenden Figuren Micaëla mit ihrer „anständigen“ Weiblichkeit und Escamillo mit seiner grellen Virilität? Wie bestimmend sind schließlich die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, denen José im Grunde genauso fremd bleibt wie Carmen? Bizets Oper ist auch eine Geschichte über die Begegnung mit Differenz – im Anderen und in uns selbst –, über ihre Wahrnehmung als Bereicherung oder Bedrohung und über unseren Umgang mit ihr.

Christian Arseni

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4. Dezember 2025
CARMEN | Salzburger Festspiele 2026 – Erster Einblick

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