Man Ray, Rayograph (feather), 1947, © Man Ray 2015 Trust / ADAGP — Bildrecht, Wien — 2019, Foto: Telimage, Paris
Zur Reihe

Still life — Zeit mit FELDMAN

„I like that particular type of music that does not push.“ In sich ruhende Klänge, Musik ohne Agenda: Morton Feldman (1926—1987) ist einer der eigentümlichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts — weil er nie im traditionellen Sinne komponieren wollte. Statt nämlich spannungsreiche Sinnzusammenhänge zwischen Tönen, Motiven und Akkorden zu schaffen, zielte er vielmehr darauf, ohne jede rhetorische Absicht „die Klänge in die Zeit zu projizieren“. Nicht zufällig heißt eines seiner Werke Between categories, zitieren andere im Titel die Namen zeitgenössischer Maler oder nennen bloß die Besetzung. Denn Feldman — geschult an den Begegnungen mit Künstlern wie Willem de Kooning, Jackson Pollock, Franz Kline, Philip Guston, Mark Rothko und anderen — betrachtete seine Schöpfungen als „zwischen den Kategorien, zwischen Malerei und Musik“ angesiedelt: „Mein Interesse an der Oberfläche ist das Thema meiner Musik. In diesem Sinne sind meine Kompositionen gar keine ,Kompositionen‘. Man könnte sie mit einer Zeit-Leinwand vergleichen. Ich bemale diese Leinwand mit Musikfarbe.“

Das Leise, Zarte, Leichte — also „die völlige Abwesenheit von Schwere“ — und die oft ausufernde Dauer seiner Werke verlangen auch eine spezielle Form des Zuhörens: Die Absichtslosigkeit der Musik findet ihr Pendant im Lauschen. Vertrackte Taktarten, komplex verschobene Rhythmen, Synkopierungen wider jeden durchgehenden metrischen Fluss definieren Feldmans schwebenden Klangraum: eine Musik ohne Hektik und meist in vielfachem Pianissimo, darüber die berühmte Feldman’sche Metronomzahl Viertel = 60—63. Jede Analyse der Notation verfehlt unweigerlich sowohl den Kern als auch die Wirkung dieser Musik. Feldman gelingt es, das Bewusstsein von linearen, vermeintlich logischen Entwicklungen abzulenken und stattdessen in der Schwebe zu halten — so wie man bei einem riesigen Bild gezwungen ist, von Detail zu Detail zu schweifen. Aus gutem Grund ist „Still life — Zeit mit Feldman“ deshalb auch in der Kollegienkirche mit ihrer speziellen Atmosphäre und Akustik verortet.

mehr dazu weniger anzeigen