Donata Wenders, Floret III, Berlin, 2013, Silver Gelatin Print © Donata Wenders
Zur REIHE

Ouverture Spirituelle · Fatum

„Das ist das Fatum, die verhängnisvolle Macht, die unser Streben nach Glück verhindert und eifersüchtig darüber wacht, dass Glück und Frieden nie vollkommen und wolkenlos werden, eine Macht, die wie ein Damoklesschwert über unserem Haupte schwebt und unsere Seele unentwegt vergiftet. Sie ist unbesiegbar, nie wird man sie bewältigen.“ — Mit solch tristen Worten beginnt Peter Iljitsch Tschaikowski das Programm seiner Vierten Symphonie, an deren Anfang eine schmetternd-niederschmetternde Fanfare steht, die das unentrinnbare Fatum versinnbildlicht.

Das Schicksal: In den homerischen Epen wird es als eine über die Götter und die Menschen waltende Macht gedacht, die allen von Geburt an ein bestimmtes Los zuteilt. Was auch immer etwa Ödipus tun mag, um der Weissagung — er werde seinen Vater töten und seine Mutter heiraten — zu entkommen, es führt unweigerlich zu genau diesem Ergebnis. Und weil Troja untergehen muss und Kassandra verflucht ist, verhallen ihre mahnenden Rufe ungehört — so wie viele andere Prophezeiungen von Sibyllen und Seherinnen.

Bestimmt ein blindes Schicksal oder ein unversöhnlicher Gott die Tochter des Jephte zum Opfer? Ist es gar Macbeths Glaube an die Prophezeiungen der Hexen, der seinen Aufstieg und seinen Fall ermöglicht? Wurzelt die heilsbringende Passion unabdingbar im frei gefassten oder doch im determinierten Willen des Judas zum Verrat? — Was können wir selbst entscheiden und wo sind wir auf die Gnade Gottes angewiesen? In diesen religiös konnotierten Fragen spiegelt sich die ganz große philosophische nach der Willensfreiheit des Menschen. Und in der Folge auch jene nach den Prinzipien unseres Handelns, nach der Moral, die angesichts der Katastrophe, die im Bild vom Floß der Medusa gefasst ist, als erste über Bord gegangen ist … In Luigi Nonos Io, frammento dal Prometeo heißt es: „PLACA questa sventura di vivere“ — „BESÄNFTIGE dies Unglück zu leben“.

 

Walter Weidringer

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16. Januar 2025
Ouverture Spirituelle · Fatum · Programmpräsentation Markus Hinterhäuser