Compagnia Marionettistica Carlo Colla & Figli
Ende des 18. Jahrhunderts ließ der reiche Mailänder Geschäftsmann Giovanbattista Colla einen Saal seines Palastes für Marionettenaufführungen einrichten, die er dort zum Vergnügen veranstaltete. Der finanzielle Zusammenbruch, den die Familie Colla infolge der politischen Entwicklungen erlitt, zwang sie, Mailand zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu verlassen, und das Marionettentheater wurde zur beruflichen Haupttätigkeit der Familie.
Nachdem Giuseppe Colla, Sohn von Giovanbattista und Gründer der Marionettenkompanie, 1861 gestorben war, führten seine Söhne Antonio, Carlo und Giovanni die Tradition mit ihrer jeweils eigenen Kompanie fort – die Geburtstunde der Compagnia Carlo Colla & Figli. 1889 übernahm Carlo Collas ältester Sohn, Carlo jr., im Alter von 16 Jahren die Leitung dieser fahrenden Truppe. Aus der gemeinsamen Arbeit mit seinen Geschwistern Rosina, Giovanni und Michele gingen Aufführungen hervor, die auf das Publikum großen Eindruck machten.
Der Erfolg war so durchschlagend, dass die Kompanie bald auch in wichtigen kulturellen Zentren gastierte. 1906 debütierte sie im renommierten Teatro Gerolamo in Mailand, das 1868 für Marionettenaufführungen erbaut worden war. 1911 schließlich wurde das Teatro Gerolamo der feste Sitz der Kompanie. Die Colla übernahmen auch die Geschäftsleitung des Theaters, das damals neben der Scala das einzige ständig bespielte in ganz Mailand war.
1957 sah sich die Kompanie gezwungen, das durch städtische Bauvorhaben bedrohte Teatro Gerolamo zu verlassen, und pausierte für einige Jahre, bevor sie 1965 ihre Tätigkeit als selbstständige Organisation wieder aufnahm: Eugenio Monti Colla – das letzte Mitglied der Puppenspielerfamilie, das am Teatro Gerolamo gearbeitet hatte – fungierte bis zu seinem Tod im November 2017 als Künstlerischer Leiter der Kompanie. Sein Nachfolger ist der Bühnenbildner und Skulpteur Franco Citterio.
Seit 1984 wird die Compagnia Carlo Colla & Figli von der Associazione Grupporiani betrieben, die die Aufführungen produziert und auf Gastspielen in der ganzen Welt zeigt.
In Mailand finden die Aufführungen im Atelier Carlo Colla & Figli, am Teatro Gerolamo sowie am Piccolo Teatro di Milano statt, mit dem dank seines Direktors Sergio Escobar seit 2000 eine enge Zusammenarbeit besteht. Die Kompanie gastierte an der Piccola Scala, beim Festival dei Due Mondi in Spoleto sowie international bei bedeutenden Festivals und an angesehenen Theatern, u. a. in Berlin, Paris, Moskau, Madrid, Sydney, New York und Charleston.
Zu den wichtigsten Produktionen der letzten Jahre zählen Macbeth (in Koproduktion mit dem Chicago Shakespeare Theater), Haydns Marionettenoper Philemon und Baucis (vom Verband italienischer Musikkritiker mit dem Premio Abbiati ausgezeichnet), Händels Rinaldo und Giustino sowie Puccinis Turandot. 2021 beteiligte sich die Kompanie mit mehreren Projekten an den Feierlichkeiten zum 700-jährigen Todestag von Dante Alighieri, darunter die Produktion Una divina commedia am Piccolo Teatro Grassi in Mailand, und brachte ihre Produktion Pinocchio zur Uraufführung. Im selben Jahr eröffnete das MuTeF (Museo del Teatro di Figura), das in Zusammenarbeit mit der Compagnia Carlo Colla & Figli gegründet wurde, mit der Ausstellung Le figure di Dante, gefolgt 2022 von der Ausstellung Aida e i popoli di legno anlässlich des 150. Jahrestages der italienischen Erstaufführung von Verdis Aida an der Mailänder Scala.