Rekonstruktion einer Projektionsvorlage von Emilio Vedova für die Uraufführung von Intolleranza 1960 von Luigi Nono unter Verwendung eines Zitats von Angelo Maria Ripellino — „Vivere è attendere il sole nei giorni di nera tempesta“ / „Leben heißt an Tagen des düsteren Sturms auf die Sonne warten“ —, das Eingang in das Libretto von Intolleranza 1960 fand.
60 Jahre nach der Uraufführung am 13. April 1961 im Teatro La Fenice in Venedig steht Luigi Nonos „szenische Handlung“ Intolleranza 1960 in diesem Sommer erstmals auf dem Spielplan der Salzburger Festspiele. Markus Hinterhäuser, der als Zeitfluß-Gestalter den Grundstein für die heutige breite Rezeption von Nonos Werk gelegt hat und sie seither als Konzertchef und nun als Intendant konsequent und enthusiastisch befeuert, ist diese Neuinszenierung gerade in den Verwerfungen unserer Zeit ein besonderes Anliegen: „Weil wir die Auseinandersetzung suchen wollen über die Frage, was ist Toleranz, Gerechtigkeit, Nächstenliebe, Miteinandersein.“
Mit einer Ausstellung im Foyer des Hauses für Mozart sowie auf der Empore des Karl-Böhm-Saals wollen wir Einblicke in den Entstehungsprozess von Intolleranza 1960 geben, die tumultartigen Proteste der Uraufführung dokumentieren und die Arbeitsweise des Komponisten sowie seines künstlerischen Partners Emilio Vedova zeigen. Die beiden venezianischen Künstler verband eine lange Freundschaft, die auch in ihrem Schaffen ihren Niederschlag fand. So entwickelte Vedova das Bühnenbild zu Intolleranza 1960 oder die „Barca“ für die Uraufführung von Prometeo. Nono wiederum widmete seine erste elektronische Komposition, Omaggio a Vedova, dem Freund und bezog sich auch in Guai ai gelidi mostri auf Bilder von Emilio Vedova. Die enge Beziehung der Salzburger Festspiele zu den bildenden Künsten währt so lange wie die Geschichte der Festspiele selbst: Oskar Kokoschka, Fritz Wotruba, Jean Tinguely, Jörg Immendorff, Robert Longo, Alfred Hrdlicka, Daniel Richter, Jonathan Meese oder William Kentridge — sie alle machten Festspielproduktionen als Bühnengestalter oder Kostümbildner zum Gesamtkunstwerk. Wie ein roter Faden zieht sich die Beschäftigung der bedeutendsten bildenden Künstler ihrer Zeit mit dem flüchtigen Salzburger Welttheater durch die Festspielgeschichte. Zusätzlich schufen viele von ihnen bleibende Werke für die Festspielstätten selbst. In der jüngsten Vergangenheit rückte die bildende Kunst durch regelmäßige Ausstellungen in engem Bezug zum Programm der Salzburger Festspiele noch stärker in den Fokus. Seit 2007 werden Künstler ausgewählt und eingeladen, deren Arbeiten die dramaturgische Ausrichtung begleiten. Ein großes Dankeschön gebührt dieses Jahr all jenen, die uns künstlerische Einblicke in den Entstehungsprozess von Intolleranza 1960 ermöglichen: Nuria Schoenberg Nono, dem Archivio Luigi Nono, der Fondazione Emilio e Annabianca Vedova und vor allem Thaddaeus Ropac, ohne dessen großes persönliches Engagement diese Ausstellung nicht zustande gekommen wäre. So dürfen wir der spannungsreichen Verbindung zwischen bildender und dramatischer Kunst im Jubiläumsjahr ein weiteres Kapitel hinzufügen.
Helga Rabl-Stadler, Markus Hinterhäuser, Lukas Crepaz
Direktorium der Salzburger Festspiele
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