Mariss Jansons (1943 - 2019)

Nachruf

„Danke, lieber Mariss Jansons, für den unbändigen Willen, mit dem Du Deinem Beruf, Deiner Berufung bis zuletzt mehr als gerecht wurdest. Wenn du das Dirigentenpult betratst, dann herrschte in jedem Saal dieser Welt eine besondere Spannung. Immer spürbar war Dein großer Respekt vor den Werken und Deine tiefe Liebe zu den Musikern, mit denen Du gearbeitet hast. Du wirst uns fehlen, du fehlst uns heute schon!“, sagt Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler in einer ersten Stellungnahme aus New York zum Tod von Mariss Jansons, der ihr auch ein persönlicher Freund war.

Die Nachricht von Mariss Jansons Tod löst in der Musikwelt große Betroffenheit aus, und auch den Salzburger Festspielen bleibt nur, mit größter Dankbarkeit all jener Sternstunden zu gedenken, mit denen er knapp 30 Jahre lang den Festspielen wahrhaft Unerhörtes geschenkt hat.

„Mit Mariss Jansons verlieren wir einen der bedeutendsten Dirigenten unserer Zeit und einen echten Freund. Seine Ernsthaftigkeit, seine tiefe Empfindsamkeit, sein ethischer Anspruch und seine künstlerische Klasse gaben der Musik eine ebenso seltene wie kostbare Wahrhaftigkeit. Mariss Jansons‘ Leben war eine einzige Liebeserklärung an die Musik, er gehörte zu jenen Künstlerpersönlichkeiten, die die Festspiele seit 100 Jahren zu etwas ganz Besonderem gemacht haben,“ sagt Intendant Markus Hinterhäuser.

Mit Österreich verband Mariss Jansons, der 1943 in einem Versteck im jüdischen Ghetto von Riga geboren wurde, seit langem eine besondere Beziehung. So erhielt er mitten im Kalten Krieg im Rahmen eines Austauschprogramms 1969 von den sowjetischen Behörden die Erlaubnis, bei Hans Swarowsky an der Wiener Musikakademie zu studieren und Herbert von Karajan 1970 in Salzburg zu assistieren.

Sein Debüt bei den Salzburger Festspielen erfolgte dann 1990. Seither gab er in Salzburg 44 Auftritte mit sieben verschiedenen Orchestern: 1990 kam er mit seinem Oslo Philharmonic Orchestra und begeisterte Publikum und Kritiker gleichermaßen mit Werken von Tschaikowski, Berlioz und Grieg. Zwei Jahre später war Mariss Jansons erstmals mit den St. Petersburger Philharmonikern bei den Festspielen zu Gast.

1994 dirigierte er erstmals die Wiener Philharmoniker in Salzburg. Wilhelm Sinkovicz berichtete über das Schostakowitsch-Berlioz-Programm in der „Presse“: „Jansons hat die Philharmoniker offenkundig beeindruckt. Sie haben für ihn eines der virtuosesten Konzerte gespielt, das sie während der letzten Jahre gegeben haben.“

Beinahe jeden Sommer war der Dirigent seit seinem Debüt mit einem seiner Orchester im Konzertprogramm der Salzburger Festspiele vertreten. 1999 stieß das Gastspiel des Pittsburgh Symphony Orchestra auf besonderes Interesse, 2006 war Mariss Jansons erstmals mit seinem Concertgebouw Orchestra eingeladen und 2007 dann mit seinem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks: „Dass sich das werte Festspielpublikum restlos begeistert und entfesselt erhebt und gefühlte zehn Minuten stehend applaudiert, das schafft ja kaum noch einer der Pult-Könige. Mariss Jansons, einst Karajan-Schüler, wurde gefeiert wie sein Meister“, bemerkte die „Kronen Zeitung“ und der „Kurier“ titelte zu Recht: „Ein grandioses Plädoyer für eine bessere Welt“.

Maris Jansons sah es auch in Salzburg als seine Aufgabe an, „die besonderen Eigenschaften eines Orchesters zu erlauschen und zu bewahren. Wenn dann in einem natürlichen Prozess meine Individualität etwas hinzufügt – und die des Orchesters mir –, dann ist das doch schön.“

Auf den Operndirigenten Mariss Jansons musste das Salzburger Publikum allerdings in all den Jahren verzichten. Erst Markus Hinterhäuser gelang es 2017 im ersten Jahr seiner Intendanz, Mariss Jansons für eine Oper zu gewinnen. Dmitri Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk, eine der Lieblingsopern des Dirigenten, wurde triumphal gefeiert. 2018 brachte er gemeinsam mit Regisseur Hans Neuenfels Peter Iljitsch Tschaikowskis Pique Dame auf die Bühne des Großen Festspielhauses.

Gert Korentschnig schrieb im „Kurier“ über die Neuproduktion: „Tschaikowskys ‚Pique Dame‘ wurde am Sonntag zum Triumph für Mariss Jansons am Pult der Wiener Philharmoniker. Er ist ein genialer, hochdramatischer, sensibler musikalischer Erzähler – und ein Glücksfall für die Salzburger Festspiele.“ Jürgen Kesting bekräftigte in der FAZ: „Die dritte Opernpremiere des Salzburger Festspielsommers geriet zum Triumph für den Dirigenten Mariss Jansons an der Spitze der Wiener Philharmoniker.“

Für seine Verdienste um die Salzburger Festspiele wurde Mariss Jansons von Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler 2018 mit der Festspielnadel mit Rubinen ausgezeichnet.

Nachdem er im Sommer 2019 aus gesundheitlichen Gründen seine Konzerte bei den Festspielen kurzfristig absagen musste, gelang es Markus Hinterhäuser in langen Gesprächen Mariss Jansons zum 100-Jahr-Jubiläum der Salzburger Festspiele 2020 wieder für eine Opernproduktion zu gewinnen. Gemeinsam mit dem deutschen Regisseur Christof Loy hätte er 2020 Modest Mussorgskis Oper Boris Godunow (Premiere am 20. August) im Großen Festspielhaus gestalten sollen.

„Unser Mitgefühl gilt in dieser dunklen Stunde seiner Familie vor allem seiner Frau Irina. Die schwarze Fahne, die heute am Festspielhaus weht, ist ein winziges Zeichen für die große Trauer und Dankbarkeit, die uns erfüllen,“ so Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler.

Foto: BR/Peter Meisel