Im September 1934 präsentierte Max Reinhardt in der Hollywood Bowl, Los Angeles’ berühmtem Freiluft-Rundtheater, eine Inszenierung von Shakespeares A Midsummer Night’s Dream. Die großen Tageszeitungen der West- wie Ostküste übertrafen einander in ihren Lobeshymnen, welche oft den regelrecht filmischen Aufwand des Unterfangens betonten (für das Wald-Bild wurden etwa echte Bäume verwendet). An insgesamt acht Abenden sahen rund 140 000 Zuschauer diese legendäre Produktion. Einer davon war der Filmproduzent Hal B. Wallis, den Reinhardts „spinnwebfeine Welt fern der Wirklichkeit“, wie er sagte, zutiefst beeindruckt hatte. Wallis war seit 1933 Hauptverantwortlicher Produzent der Warner Bros., wo auch Reinhardts Protegé Wilhelm (mittlerweile William) Dieterle seit einigen Jahren tätig war. Aus dieser Konstellation heraus entstand die Idee, Reinhardts Hollywood-Bowl-Midsummer Night’s Dream als prestigeträchtiges Kinospektakel zu adaptieren.
Reinhardt hatte zwar Filmregieerfahrung, allerdings aus einer anderen Zeit und Welt: dem deutschen Kino der frühen 1910er-Jahre. — Seine drei Stummfilme sind von 19. bis 21. August in DAS KINO zu sehen. — Deshalb teilte sich Reinhardt die Gestaltungsarbeit mit Dieterle, der mit den Produktionsstrukturen und -prozessen Hollywoods bestens vertraut war. Der größte Kompromiss, den das Duo einzugehen hatte, betraf die Wahl der Darsteller: Sie mussten fast alle Rollen mit Warner-Stars neu besetzen, die ihrerseits nervös waren, weil sie keine klassische Bühnenausbildung genossen und deshalb nie Shakespeare gegeben hatten, wie etwa James Cagney (Zettel) und Joe E. Brown (Flaute), die beide vom Vaudeville-Revuetheater kamen, oder der Musiker-Sänger Dick Powell (Lysander). Von der Hollywood-Bowl-Produktion blieb nur Kinderstar Mickey Rooney (Puck) im Cast erhalten; alldieweil Olivia de Havilland die Hermia zwar schon gespielt hatte — allerdings im Stadttheater von Saratoga, wo sie einem Assistenten Reinhardts aufgefallen war.
Andererseits ließ man den Regisseuren weitestgehend freie Hand bei der Auswahl vieler künstlerischer Mitarbeiter. Was Reinhardt dazu nutzte, einige alte Vertraute in das Projekt einzubeziehen, darunter die Tänzerin Nini Theilade (im Film zu sehen als Titanias Zofe), die Choreografin Bronislava Nijinska sowie den Komponisten Erich Wolfgang Korngold, dessen Hollywood-Karriere mit diesem Engagement begann.
Als A Midsummer Night’s Dream im Oktober 1935 in die US-Kinos kam, begegnete man ihm mit einer Mischung aus Distanziertheit, Verwirrung und Faszination. Heute würde man den Film „hybrid“ nennen, in seinem gut gelaunten Ineinander von Elementen, die offiziell aus völlig unterschiedlichen Welten kommen: Hollywood- Glamour und europäische Avantgarde, Bühnen-Gravitas und Filmtrickrausch — bürgerliche Hochkultur, die sich aus dem Geist des Populären neu erfindet.

Olaf Möller

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