© SF / Marco Borrelli

Ann-Kathrin Niemczyk und Seungwoo Simon Yang sind Teilnehmer des Young Singers Project.

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„Der süße Klang seiner Stimme ergriff mich!“

Die leidend Liebende und liebend Leidende, die fragile Melancholikerin mit dem Drang, sich angesichts einer traumatischen Realität in eine Traumwelt zu flüchten, dem „Wahnsinn“ zu verfallen: Dieser Frauentypus prägt die Geschichte des Belcanto, der romantischen italienischen Oper in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aber kein anderes Werk setzt diese Männerfantasie so beispielhaft, einprägsam und musikalisch fulminant um wie Gaetano Donizettis Lucia di Lammermoor, uraufgeführt 1835 in Neapel. Auf der Basis des düsteren historischen Romans The Bride of Lammermoor (1819) von Sir Walter Scott zeigt der Librettist Salvadore Cammarano in radikaler dramaturgischer Verknappung Lucia als das unschuldige Opfer von Familienfehde und Hausmachtspolitik, das sich erst im Moment der tiefsten Erniedrigung zu einem späten, fehlgeleiteten Akt der Notwehr durchringen kann und unweigerlich an der eigenen Tat zugrunde geht.
Donizettis Musik überhöht die Titelfigur zu einer Tragödin von duldender Reinheit, um dann am Höhepunkt, der sogenannten Wahnsinnsszene, die Fieberkurve ihres virtuosen Furors in ungeahnte Höhen schnellen zu lassen — in der originalen Partitur grundiert von den surrealen, ungreifbaren Klängen einer Glasharmonika. Dabei galt Lucia di Lammermoor ursprünglich zumindest auch als Oper des Tenors, dem ja das Finale gehört, wenn er an den Gräbern seiner Ahnen vom Ende seiner Geliebten erfährt und ihr in den Tod folgt. Nachdem die Titelpartie lange Zeit von eher leichtgewichtigen Koloratursopranen dominiert worden war, die sie mehr zu Stimmakrobatik als zu Ausdruck nutzten, haben im 20. Jahrhundert dann ganz unterschiedliche Sängerinnen Maßstäbe in der Verschmelzung von Vokal- und Darstellungskunst gesetzt — und damit auch das Publikum zu „Wahnsinnsszenen“ animiert.

Walter Weidringer

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